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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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so wenig wie daran, ständig irgendwelche Gewehre neben mir zu haben. Ich will hoffen, dass sie nicht geladen sind“, sagte sie mit einem misstrauischen Seitenblick. „Ich habe wirklich nicht die Absicht, meinen Tod in den Zeitungen unter der Überschrift Tragisches Unglück anzeigen zu lassen.“
    „Sie sind nicht geladen“, versicherte ihr Gatte und zog genüsslich an seiner gerade entzündeten Zigarre.
    „Sag Bernhard, hast du heute beim Mittagessen die Gesellschaft am Nachbartisch bemerkt? Die Dame mit den beiden hübschen Mädchen?“
    „Ja, eine Dame aus München mit ihren Töchtern. Ich glaube, sie heißen Rosental oder Rosenberg oder so ähnlich.“
    „Die eine, die bei Tisch neben Major Stutzenbacher saß, war wirklich ganz reizend, meinst du nicht auch?“
    „Ja, und der Major würde sich dieser Meinung sicher anschließen. So höflich und zuvorkommend wie heute Mittag habe ich ihn noch nicht erlebt. Allerdings hat ihn das hübsche Ding beim Essen kaum beachtet. Ich hätte es an seiner Stelle mit der Zweiten versucht, die nicht weniger hübsch ist, aber bei weitem freundlicher und zugänglicher als ihre Schwester. Sie hat mehrmals zu unserem Tisch hinüber geschaut, aber vermutlich galt ihre Aufmerksamkeit nicht mir, sondern eher unserem jungen Freund.“
    „Diesen Eindruck hatte ich auch“, erwiderte die Baronin. „Und ich bin mir sicher, Sie haben diese Blicke auch bemerkt, Mr. Hamilton. Geben Sie es ruhig zu.“
    „Ich … ich habe eigentlich nicht besonders darauf geachtet“, antwortete Hamilton und bemühte sich, sich seine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen. „Ich kenne die junge Dame wirklich nur flüchtig.“
    „Ich wusste nicht, dass Sie sie überhaupt kennen“, sagte die Baronin.
    „Das ist auch wirklich reiner Zufall. Wir sind einen Teil des Weges von München hierher zusammen gereist. Der Wagen der Familie war hoffnungslos überfüllt, und so bot ich an, einige der Reisenden in meiner Kutsche mitzunehmen. Mademoiselle Sophie, das Kindermädchen und ein lebhafter kleiner Knabe wurden meiner Obhut übergeben.“
    „Soviel Aufmerksamkeit ist man von englischen Reisenden kaum gewöhnt. Jedenfalls hält man unsere Landsleute allgemein für ziemlich egoistisch, wenn sie auf Reisen sind“, bemerkte die Baronin.
    „Vielleicht waren die Gründe für meine Aufmerksamkeit auch nicht ganz frei von Egoismus, das gebe ich zu. Ich fürchtete die Langeweile eines langen Nachmittags allein in einem unbequemen Wagen, und ich war einem kleinen harmlosen Flirt nicht abgeneigt.“
    „Und wie ist es ausgegangen?“
    „Oh, wir kamen wunderbar miteinander aus, jedenfalls bis wir in Seeon waren, aber von dem Moment an, in dem Mademoiselle Sophie ihre Stiefmutter wiedersah, veränderte sich ihr Benehmen auf seltsame Weise. Ich hatte den Eindruck, dass ich ihr völlig gleichgültig war, da sie von mir nun keinen Nutzen mehr hatte.“
    „Ihr Urteil zeigt, dass Sie über die Erziehung deutscher Mädchen aus gutem Hause wenig wissen.“
    „Mag sein. Aber ihre Schwester scheint eine ganz andere Erziehung genossen zu haben. Unsere Bekanntschaft begann damit, dass sie mich einen Narren nannte, und ich habe sie zu ihrer Schwester sagen hören, dass sie mich für eingebildet hält. Jedenfalls nimmt sie mich nicht einmal ernst. Sie meinte, ich sehe aus wie ein Student.“
    Die Baronin unterdrückte ein amüsiertes Lachen. „Vielleicht sollten Sie wirklich erst etwas mehr über das Leben in Deutschland lernen, ehe Sie versuchen, Damenbekanntschaften zu machen, Mr. Hamilton.“
    „Ich will Deutschland und seine Bewohner gerne studieren – im Kreis einer Privatfamilie ...“
    „Ohne Kinder?“
    „Als Beweis meiner Achtung Ihrer Ansichten werde ich selbst gegen fünf halbwüchsige Knaben keine Einwendungen machen, und ich verspreche Ihnen auch, eine Witwe mit unverheirateten Töchtern zu meiden.“
    „Das höre ich gerne“, sagte sie. Und nach einer kurzen Pause: „Falls Sie etwas lesen möchten – ich habe hier die neueste Ausgabe der Allgemeinen Zeitung und Blackwood's Magazine. “
    „Halten Sie den Blackwood?“, fragte Hamilton.
    „Ich leihe ihn und alle möglichen Bücher aus der königlichen Bibliothek in München.“
    „Lesen Sie viel?“
    „Früher habe ich mehr gelesen, aber in den letzten Jahren komme ich nicht mehr so häufig dazu – einige Memoiren, Reisebeschreibungen und von Zeit zu Zeit ein Roman füllen meine Zeit vollkommen aus. Aber Sie müssen jetzt wirklich ein Buch nehmen

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