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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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häuslichen Leben hier wenig oder nichts sehen.“
    „Da irren Sie sich. Ich befürchtete eher, Sie könnten vielleicht zu viel davon sehen, denn er ist verheiratet und hat fünf Söhne.“
    „Hat seine Frau keinen Protest eingelegt?“
    „Ich habe nicht mit ihr gesprochen. Da sie aber nicht wohlhabend sind und bereits fünf Kinder im Haus sind, so dachte ich, dass es auf eine Person mehr oder weniger vielleicht nicht ankommen würde.“
    „Fünf Kinder – also ehrlich gesagt, wenn Sie eine andere Familie finden könnten, dann wäre mir das sehr recht.“
    „Der Professor ist inzwischen auch nicht mehr in München. Mir wurde noch eine andere Familie genannt, aber sie kommt aus verschiedenen Gründen nicht in Frage.“
    „War der Mann dagegen oder die Frau?“
    „In diesem Falle war ich dagegen – es leben unverheiratete Töchter im Haus.“
    „Nun, das wäre kein Problem, im Gegenteil ...“
    „Ich halte es für ein großes Problem“, sagte die Baronin ernst.
    „Ich verstehe, was Sie meinen. Aber Sie glauben doch wohl nicht, dass ich ein solcher Narr bin, dass ich mich in jedes Mädchen verliebe, mit dem ich zufällig im selben Haus wohne? Ich kann Ihnen versichern, dass ich nicht derart leicht entflammbar bin.“
    „Mag sein. Da ich aber nicht meine Hand dafür ins Feuer legen kann, dass Sie für weibliche Reize unempfänglich sind, und weil deutsche Mädchen das Wort Flirt nicht verstehen und bei jeder noch so unverbindlichen Annäherung auf einen Heiratsantrag hoffen, halte ich es für das Beste, Sie gar nicht erst in Versuchung zu führen. Aber ich habe einen großen Bekanntenkreis in München und ich bin mir sicher, eine Familie zu finden ...“
    „Wo fünf dressierte Tanzbären im Hause sind“, unterbrach Hamilton sie schnippisch.
    „Dann würden Sie ja das halbe Dutzend vollmachen, John“, antwortete sie lachend. „Aber jetzt im Ernst: Eine Familie, die einen jungen Mann als Hausgenossen aufnehmen würde, ohne mit seiner Familie in irgendeiner Form verwandt oder zumindest gut bekannt zu sein, und bereit wäre, eine verbindliche Abmachung über Kost und Logis einzugehen, ist entweder in finanziellen Schwierigkeiten oder sie gehört nicht zu den Kreisen, in denen wir beide üblicherweise verkehren. Eine alleinstehende Witwe wäre jedenfalls ebenso unpassend wie eine mit drei unverheirateten Töchtern. Und auch wenn ich Sie keineswegs für einen Narren halte, so können Sie eben vorher nicht wissen, ob Sie nicht doch Gefühle für ein Mädchen entwickeln würden, das sie täglich sehen, und es lässt sich nicht vorhersagen, welche Verwicklungen und Enttäuschungen sich daraus ergeben könnten. Es ist ja nun auch nicht so, dass junge Mädchen in heiratsfähigem Alter nicht durchaus versuchen würden, einem Burschen zu gefallen und kokett zu sein, und sei es nur, um ihre Schwester oder eine Freundin neidisch zu machen.“
    „Aber ich versichere ihnen ...“
    „Natürlich werden Sie mir versichern, dass Sie ein Herz aus Stein haben und ein Mann mit Prinzipien sind und auf gar keinen Fall ein Verhältnis mit einer Person anfangen würden, die gesellschaftlich unter Ihnen steht und nicht würdig wäre, den Namen Hamilton zu tragen und in Ihre Familie aufgenommen zu werden. Aber da Sie das Glück haben, der Erstgeborene zu sein und damit auch der Erbe ...“
    „Verzeihen Sie, dass ich Sie unterbreche, aber in diesem Punkt irren Sie: Ich bin der Zweitgeborene.“
    „Sie sind nicht John?“, fragte sie erstaunt.
    „Nein. Würde ich John heißen, dann hätte ich Ihren Brief nicht geöffnet, denn er war nicht an John Hamilton adressiert, sondern an …“
    „ … an Archibald Hamilton“, sagte sie.
    „Nein, ganz bestimmt nicht. Er war an A. Hamilton, Hotel Goldener Hirsch, adressiert.“
    „Tatsächlich?“ Die Baronin musterte ihn von Kopf bis Fuß und sagte dann: „Es ist wirklich kaum möglich, dass Sie der kleine Archy sind ...“
    „Ich bin auch nicht der kleine Archy“, rief Hamilton, der sich plötzlich ausgesprochen unbehaglich fühlte.
    „Dann bitte ich Sie, mir zu sagen, wie Sie nun eigentlich heißen“, sagte die Dame kühl und sah ihn dabei an, als formuliere Sie im Geist schon eine Anzeige wegen Hochstapelei.
    „Alexander – Alexander Hamilton“, stieß er mit rotem Kopf hervor, und außerstande, eine derart peinliche Situation noch eine Sekunde länger zu ertragen, ergriff er seinen Hut und ein Paar Handschuhe, das ihr gehörte, wie er später erfahren sollte, und

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