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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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oder die Gegend schweigend bewundern, denn ich kann meine Allgemeine nicht länger ungelesen lassen. Ich schaffe jeden Tag nur eine Ausgabe und gerate in Verzweiflung, wenn sich die Zeitungen anhäufen.“
    „Ich denke, dass ich eine Zigarre rauchen könnte, während Sie die Zeitung lesen.“
    „Eine vortreffliche Idee! Nehmen Sie den Kutschersitz neben Bernhard ein, der sicher gern das Vergnügen Ihrer Gesellschaft genießen wird. Sie können über den geplanten Ausflug sprechen oder mit der Zahl der Moorhühner prahlen, die Sie schießen würden, wenn Sie diesen Herbst in England wären.“
    Es wurde bereits dunkel, als sie das Dörfchen Siegsdorf erreichten. In den Fenstern der Häuser schimmerten Lichter und aus einem kleinen Wirtshaus drangen Gesang und Gelächter.
    „Ich glaube nicht, dass wir etwas Besseres tun könnten als hier zu übernachten“, bemerkte Baron Zander zu seiner Frau.
    Die kleine Reisegesellschaft durchquerte den gut gefüllten Gastraum und wurde von der Wirtin in ein kleines Nebenzimmer gebeten. Ein Tisch war noch unbesetzt, und die Wirtin fegte mit ihrer Schürze ein paar Brotkrümel weg und fragte, was sie zu Abend essen wollten. Sie gab einem Mädchen die nötigen Befehle und setzte sich dann auf eine Bank am anderen Ende des Tisches, wo sie offenbar darauf wartete, angesprochen zu werden.
    „Nun, was gibt es Neues bei euch?“, fragte der Baron. „Sind die Kinder alle wohlauf?“
    „Ich danke Ihnen, sie sind alle gesund.“
    „Wo ist mein alter Freund Ferdinand?“
    „Er ist heute auf die Jagd gegangen.“
    „Besteht denn Aussicht, dass ich morgen zum Schuss kommen werde, wenn ich hierbleibe?“
    „Die Wildsaison ist heuer nicht so gut, leider. Ich fürchte, Sie würden enttäuscht sein.“  
    „Ich bin auf dem Weg nach Reichenhall und Berchtesgaden und an dem ein oder anderen Ort hoffe ich, auf die Gemsenjagd zu gehen – mein junger Freund hier würde gern einmal eine erleben.“
    „Also ich habe ein Stück Gamsfleisch im Haus – vielleicht möchte der Herr einmal ein Ragout davon probieren.“
    „Möchten Sie Gemsenfleisch zum Abendessen haben?“, fragte die Baronin Hamilton.
    „Oh, sehr gerne“, antwortete er eifrig.
    „Das Fleisch ist etwas trocken“, erklärte sie. „Ich habe es bisher nur zweimal gegessen: ein Mal aus Neugier und das zweite Mal, weil es nichts Anderes gab.“  
    „Ich denke, wir sollten mit Mr. Hamilton morgen einen Ausflug auf die Alm machen“, sagte der Baron. „Für ihn wäre das etwas völlig Neues und für uns kommt es auf einen Tag mehr oder weniger nicht an. Die Wirtin wird uns die Schlüssel für das Forsthaus besorgen.“
    „Das wäre großartig“, sagte Hamilton, der nur das Wort Ausflug verstanden hatte.
    „Herr Baron“, rief ein langer Bauer, der in der Tür lehnte, „Sie haben mir versprochen, mich das nächste Mal, wenn sie hinaufgehen, als Führer zu engagieren. Ich könnte noch heute Abend nach Traunstein gehen, um den Schlüssel zu holen, und morgen früh in Ruhpolding auf Sie warten.“
    „Dann fort mit dir“, rief Zander, „und versäume nicht, morgen früh um fünf Uhr da zu sein.“
    Der Mann nickte und verschwand.
     
    Als Hamilton eine Woche später nach Seeon zurückkehrte, fand er einen Neuankömmling vor, nämlich den Sohn von Graf Zedwitz, einen Offizier, der einen Teil seines Urlaubs mit seinen Eltern verbringen wollte. Seinem Äußeren nach kamen seine Vorfahren nicht aus Bayern, denn er hatte feines blondes Haar und einen imposanten rotblonden Schnurrbart, der seinen großen Mund zu seinem Vorteil fast völlig verdeckte. Seine Zähne waren ungewöhnlich groß und unregelmäßig, dafür aber strahlend weiß. Auch seine Nase war recht groß und von unbestimmter Form. In gewisser Weise erinnerte er an einen Nussknacker. Er war ziemlich groß, beinahe so groß wie Hamilton, allerdings nicht ganz so schlank.
    Hamilton freundete sich recht schnell mit Zedwitz an; er schien überhaupt allgemein beliebt zu sein, sogar Isabelle bedachte ihn hin und wieder mit freundlichen Blicken. Aus irgendeinem Grund schienen beide Schwestern seine Gesellschaft dagegen zu meiden, wie er schnell merkte. Sophie sah zwar hin und wieder in seine Richtung, wandte ihren Blick aber schnell ab, sobald er den seinen traf. Isabelle beachtete ihn überhaupt nicht. Sie tuschelten häufig miteinander, unternahmen lange einsame Spaziergänge und schienen an nichts mehr wirklich Anteil zu nehmen. Ihr Benehmen erschien Hamilton von Tag zu

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