Die Versuchung
sind.“
„Keineswegs – davon kann keine Rede sein!“, rief der junge Zedwitz mit einer für Hamilton unerwarteten Heftigkeit. „Sich zu verheiraten, nur um Güter zu verbinden, ist nicht nach meinem Geschmack.“
„Das kann ich mir vorstellen.“
Es entstand eine kleine Pause, dann sagte Zedwitz: „Meine Eltern wünschen, dass ich die Armee verlasse und heirate. Aber ich bin sicher, dass sie schließlich gegen die Frau, die ich mir aussuche, alle möglichen Einwände erheben werden. Und auch wenn ich selbst nicht gerade ein Adonis bin, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, eine hässliche Frau zu heiraten – Sie doch vermutlich auch nicht?“
„Ich habe darüber noch nicht weiter nachgedacht“, sagte Hamilton leichthin. „Meine Eltern haben mir nahegelegt, mit dem Heiraten noch eine Weile zu warten, mindestens bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr.“
Sie überquerten jetzt einen kleinen schmalen Steg, der über den seichten Teil des Sees führte. Als sie den steilen Pfad hinunter zur Kirche erreicht hatten, blieb Hamilton stehen und fragte Zedwitz, ob er wisse, warum sich die beiden Schwestern Rosenberg so seltsam verhalten.
„Es gibt irgendein Geheimnis in der Familie, meinen Sie nicht auch?“, fragte Hamilton.
„Davon bin ich überzeugt. Die Mädchen scheinen sich in einer ziemlich unglücklichen Lage zu befinden. Sie tun mir wirklich leid“, antwortete Zedwitz.
„Das geht mir ganz ähnlich. Und ich würde wirklich gerne hinter dieses Geheimnis kommen. Was halten Sie davon, wenn wir es beide versuchen – mal sehen, wer von uns als Erster etwas in Erfahrung bringt.“
„Abgemacht!“
„Meine Aussichten sind allerdings eher gering“, sagte Hamilton. „Mir gegenüber sind beide Damen ausgesprochen zurückhaltend und ich selbst bin auch eher schüchtern.“
„Sie und schüchtern!“, rief Zedwitz lachend.
„Glauben Sie mir nicht? Natürlich nicht, wenn ich mit Ihnen rede, aber wenn es um Frauen geht, fehlen mir oft die richtigen Worte.“
„Das kann ich mir wirklich kaum vorstellen, Sie sind doch sonst nie um eine Bemerkung verlegen.“
Zedwitz blieb stehen und machte eine Handbewegung in Richtung der benachbarten Wiese. Die beiden Schwestern saßen auf einem Baumstamm und hielten sich schweigend an den Händen. Sophie schien von irgendeinem Schmerz überwältigt zu sein, sie saß zusammengesunken und weinte lautlos. Isabelle hielt einen Brief in der Hand und blickte in stummer Verzweiflung gen Himmel, wobei auch sie mit den Tränen zu kämpfen schien. Dann beugte sie sich zu ihrer Schwester und schien ihr einige Worte des Trostes zuzuflüstern, denn diese blickte auf und versuchte, zu lächeln.
„Hamilton, wir sollten zum See zurückgehen, es wäre taktlos, sie so zu überraschen. Wir müssen uns möglichst laut unterhalten, damit sie uns rechtzeitig bemerken.“
Die beiden Männer gingen also leise ein Stück des Weges zurück und kehrten dann umso geräuschvoller zurück; der Plan funktionierte bestens, denn als sie die Schwestern wieder erblickten, standen diese scheinbar ganz unbekümmert auf der Wiese, und als sie hörten, dass man sie zum Abendessen erwarte, gingen sie den Beiden in Richtung der Brücke voraus. Die Männer hatten sie jedoch rasch eingeholt, und scheinbar zufällig ergab es sich, dass Zedwitz Isabelle in ein Gespräch verwickelte, während Hamilton absichtlich langsamer ging, um ungestört ein paar Worte mit Sophie wechseln zu können.
Hastig flüsterte er: „Was ist passiert? Warum sind Sie so unglücklich? Was in aller Welt hat sich während meiner Abwesenheit in Seeon ereignet?“
„Nichts, gar nichts! Es ist nichts vorgefallen, was für Sie von besonderem Interesse wäre“, sagte sie abweisend und ging etwas schneller.
„Sie sind sehr unfreundlich, Mademoiselle“, sagte Hamilton vorwurfsvoll, „unnötig unfreundlich. Seit dem Beginn unserer Bekanntschaft, so kurz sie auch ist, habe ich an allem, was Sie betrifft, regen Anteil genommen. Ich sehe, dass Sie unglücklich sind – ich würde Ihnen gerne irgendwie beistehen – und werde behandelt wie ein lästiger Hausierer.“
„Ich habe Sie nicht beleidigen wollen“, sagte Sophie und ging etwas langsamer.
„Ich bin mir sicher, dass Ihre Schwester Graf Zedwitz freundlicher behandelt“, bemerkte Hamilton und diese Worte verfehlten nicht ihre Wirkung.
„Was möchten Sie wissen?“, fragte sie leise.
„Ich möchte wissen, warum Sie unglücklich sind und warum Sie mir aus dem
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