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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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anhalten wird.“
    „Ich weiß nicht, was ich mehr bewundern soll, Ihre erstaunliche Gelassenheit oder Ihre Vernunft.“
    Sie blickte ihn kurz an und da er nicht lachte, sagte sie in vertraulichem Ton: „Die Mama war sehr großzügig. Sie hat mir versprochen, ich bekomme alles in fünfzig und hundert.“
    „In fünfzig und hundert?“, wiederholte Hamilton.
    „Ja, die Kleinen in Hunderten, die Großen in Fünfzigern.“
    „Sie werden mich jetzt wahrscheinlich für sehr einfältig halten, aber ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.“
    „Ich rede von der Aussteuer. Ich bekomme dasselbe, was die Mama zur Hochzeit bekommen hat. Alle kleinen Dinge wie Kissenbezüge, Handtücher und Strümpfe hundertfach, alle großen wie Tischtücher, Bettlaken und dergleichen fünfzigfach.“
    „Ich verstehe, das macht die Sache natürlich angenehmer“, sagte Hamilton und bemühte sich, die Ironie nicht hörbar werden zu lassen.
    „Wenn er nur adelig wäre“, seufzte sie. „Dann würde mir der Altersunterschied fast nichts ausmachen. – Meine richtige Mutter war eine Gräfin.“
    „Also möchten Sie eigentlich einen Grafen heiraten?“
    „Nein, das kann ich nicht erwarten, weil ich kein Vermögen habe und mein Papa keinen Titel hat, er ist nicht einmal ein von .“  
    „Was heißt das – was wäre, wenn er ein von wäre?“
    „Ein von im Namen ist die unterste Stufe des Adels. Danach kommt Ritter, dann Baron, Graf, Herzog. Ich weiß nicht, wieso meine Mutter einen Mann geheiratet hat, der nicht zum Adel gehört. Aber der Papa war ein ungemein schöner Mann früher, wahrscheinlich deshalb.“
    „Ganz sicher, gutes Aussehen ist immer eine Empfehlung.“
    „Sind Sie adelig?“, fragte sie plötzlich.
    „Ich heiße nicht von Hamilton“, sagte er lachend.
    „Aber sind Sie ein Graf oder ein Baron?“
    „Weder das eine noch das andere.“
    „Sie sind also nur Mister Hamilton?“
    „Ja, Mister Alexander Hamilton.“
    Er merkte, dass er in ihrer Achtung schlagartig gesunken war, was dazu führte, dass er einige Minuten lang erfolglos versuchte, ihr das Wesen des englischen Adels zu erklären, bei dem jeweils nur der älteste Sohn den Titel des Vaters erbt, während die Nachgeborenen leer ausgehen und formal bürgerlich sind. Sophie konnte seinen Ausführungen nicht folgen und verstand nicht, wieso er behauptete, er wäre sicher ein Baron oder ein Graf, wenn er in Deutschland geboren wäre. Hamilton war es schließlich selbst peinlich, dass er versuchte, sie auf diese Weise zu beeindrucken. Immerhin wusste er nun, womit man deutschen Mädchen am meisten imponieren konnte – hatte ein Mann irgendeinen Titel oder wenigstens ein von im Namen, brauchte er weder geistreich noch sonderlich attraktiv oder vermögend zu sein, soviel stand fest.
    „War ihre Mutter hübsch?“, fragte er nach einer kurzen Pause.
    „Ja, jedenfalls sagen das alle, die sie gekannt haben. Isabelle sieht ihr sehr ähnlich, und viele meinen, man könnte uns für Zwillinge halten.“
    „Das stimmt, jedenfalls auf den ersten Blick.“
    „Oh ich weiß, dass Isabelle viel hübscher ist als ich.“
    Das war nicht zu leugnen, deshalb wusste Hamilton nicht, was er dazu sagen sollte, aber zu seinem Glück fügte sie hinzu: „Aber Major Stutzenbacher sagt, dass ich viel liebenswürdiger bin als sie.“
    „Der Major muss es wissen“, sagte Hamilton lakonisch.
    „Er hat mir gestern eine Menge gute Ratschläge gegeben.“
    „Tatsächlich?“
    „Er hat zum Beispiel gesagt, dass es töricht sei, jungen Männern wirklich zu vertrauen – sie wären unehrlich und egoistisch.“
    „So so … er scheint sich ja wirklich sehr gut auszukennen, der Major.“
    Man hörte Schritte auf dem Kiesweg, und als Sophie sich umdrehte, sah sie, dass Stutzenbacher gerade die Asche aus seiner Meerschaumpfeife blies und auf eine andere Bank zusteuerte. Sie zuckte zusammen, als sei sie bei etwas ertappt worden, und stand hastig auf.
    „Haben Sie nicht gerade gesagt, Sie könnten jederzeit ungehindert mit mir sprechen?“, fragte Hamilton spöttisch.
    „Ja, natürlich“, antwortete sie und setzte sich wieder. „Was wollten Sie sagen?“
    „Was ich sagen wollte? Wovon sprachen wir gerade? Ach ja, über die guten Ratschläge des Majors. Er hat sicher noch mehr gesagt, jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass er seine Zeit damit verschwendet hat, über junge Männer herzuziehen, die zwanzig Jahre jünger sind als er.“
    „Ja, er hat noch mehr gesagt … Wir sprachen

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