Die Versuchung
Österreich zu machen?“
Zedwitz sah ihn verlegen an und sagte dann zögernd: „Im Prinzip gerne, aber … ich habe eigentlich mit den Rosenbergs ausgemacht, dass ich sie auf einem Ausflug nach Salzburg begleite.“
„Nach Salzburg? Und ich weiß davon natürlich nichts!“
„Man wird Sie sicher einladen. Es war nur etwas schwierig, weil ich nicht die Gunst von Madame Rosenberg genieße. Sie erwartet ihren Mann, der für einen Tag nach Seeon kommen wird, um die Bekanntschaft seines künftigen Schwiegersohnes zu machen. Danach soll der Ausflug stattfinden.“
„Wie wollen sie reisen?“
„Mit den besten Kutschen, die wir hier auftreiben können. In Traunstein nehmen wir einen Char-à-banc mit Sitzbänken, auf denen wir alle Platz haben.“
„Sie hoffen natürlich darauf, drei Tage lang neben einer ganz bestimmten jungen Dame zu sitzen“, lachte Hamilton.
„Sie haben völlig recht“, antwortete er, indem er Hamiltons Arm nahm, um den Kreuzgang zu verlassen. „Ich hoffe nur, dass Sie meine Pläne nicht durchkreuzen wollen.“
„Keine Sorge, Isabelle hat mir ziemlich deutlich gesagt, dass sie mich verachtet, warum auch immer. Hätte sie gesagt, sie würde mich hassen, könnte ich mir vielleicht Hoffnungen machen, aber gegen Gleichgültigkeit und Geringschätzung lässt sich nichts ausrichten.“
„Also was wollen Sie tun?“
„Offensichtlich muss ich gar nicht viel tun, um Isabelles Abneigung gegen mich zu fördern. Es sollte also durchaus möglich sein, ihre Ablehnung bis zum Hass zu steigern. Da ich das Spiel aber nicht bis zum Äußersten treiben will, werde ich mich wohl damit begnügen, ihrer Schwester bedeutungsvolle Blicke zuzuwerfen und abzuwarten, was passiert. Sie hat mich heute im Garten förmlich aufgefordert, mit ihr zu flirten, sie kann mir also später keine Vorwürfe machen.“
„Das klingt nach einem ganz vernünftigen Plan, Hamilton – auch wenn ich nicht ganz verstanden habe, was Sie mit Sophie vorhaben. Ich bin nur gespannt, ob aus Ihrem Spiel nicht früher oder später Ernst wird.“
6
Am folgenden Abend lud Madame Rosenberg Sophie und Major Stutzenbacher dazu ein, der Kutsche ihres Mannes gemeinsam entgegen zu gehen. Isabelle musste im Garten bleiben und ihre drei kleinen Brüder beaufsichtigen. Offensichtlich war das die Strafe dafür, dass die den Antrag des Majors abgelehnt hatte. Mit niedergeschlagener Miene setzte sie sich auf die steinernen Stufen vor der Kapelle, bis man das Geräusch von Rädern und Pferdehufen hörte und sich ein Wagen näherte, der in einiger Entfernung anhielt, als er die Gruppe der Fußgänger erreicht hatte. Der Mann, der herunter sprang, schien eigentlich viel zu jung zu sein, um der Vater von Sophie und Isabelle sein zu können. Als die Gesellschaft näher kam, bemerkte Hamilton, dass Herr Rosenberg früher ein ungemein attraktiver Mann gewesen sein musste. Die Kinder liebten ihn offenbar, denn die Jungen hingen an seinen Knien und einem Arm, während Sophie den anderen ergriffen hatte. Hamilton wurde ihm kurz als „unser englischer Freund“ vorgestellt, dann fiel sein Blick auf Isabelle, die aufgestanden war. Er ging auf sie zu und fragte erstaunt: „Isabelle, was ist mit dir? Warum kommst du mir nicht entgegen?“
Sie stürzte mit einem Freudenschrei in seine Arme und antwortete leise: „Ich durfte nicht, ich durfte nicht!“
„Du weißt, dass du eine Strafe verdient hast, du böses Mädchen?“
„Aber du hast mir verziehen, Papa? Bitte sag, dass es so ist.“
Eine zweite Umarmung war die Antwort.
Madame Rosenberg, die die Szene beobachtete, biss sich auf die Lippen und bemerkte zornig: „Du solltest Isabelle nicht noch ermutigen, eigensinnig und ungehorsam zu sein. Ein paar harte Worte wären wohl angemessen.“
„Meine Liebe, was geschehen ist, ist geschehen, und Major Stutzenbacher ist sicher zufrieden.“
„Mehr als das!“, rief der Major.
Sophie lächelte und errötete.
„Dann sind wir alle zufrieden. Sie bekommen Sophie, die wirklich ein reiner Engel ist, und ich muss vorerst dieses eigensinnige, temperamentvolle Mädchen behalten.“ Er drückte kurz Isabelles Hand und selbst einem unbeteiligten Zuschauer musste auffallen, dass sie seine Lieblingstochter war.
„Du wirst sie wahrscheinlich dein ganzes Leben lang behalten“, bemerkte seine Frau spitz.
„Das glaube ich nicht. Es wird sich sicher noch jemand finden, der erkennt, dass sie nicht nur ein Hitzkopf, sondern auch ein ganz
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