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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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auch die Ohren spitzte, bis auch er irgendwann einschlief. Als er am nächsten Morgen erwachte, stellte er fest, dass alle anderen bereits fort waren, und es dauerte ein paar Minuten, bis er sich daran erinnern konnte, wo er war und wie er hierher gekommen war. Vor dem Haus begegnete er einem ihrer Wanderführer, der ihm mitteilte, dass Madame Rosenberg und alle anderen bereits auf dem Weg zu dem Bauernhaus seien, wo sie ihre Kutsche zurückgelassen hatten, um sich umzuziehen und zu frühstücken. Es dauerte nicht lange, bis Hamilton Frau Rosenberg, Sophie und Stutzenbacher eingeholt hatte. Isabelle und Zedwitz waren mit den Buben vorausgeschickt worden, um das Frühstück zu bestellen. Als sie am Haus ankamen, war sie schon damit beschäftigt, den Kindern an einem Tisch im Freien Brot und Milch zu geben.
    „Was, bist du schon für Salzburg angekleidet, Isabelle?“, rief Madame Rosenberg. „Ihr müsst den Weg ja fast gerannt sein; ich hoffe, dass sich Franzl und Gustl nicht überhitzt haben.“ Leise sagte sie zu Hamilton: „Ich brauche nur fünf Minuten zum Ankleiden, ich bin gleich wieder zurück. Tun Sie mir bitte einen Gefallen und bleiben Sie hier, bis ich wieder unten bin.“
    Hamilton gab keine Antwort, sondern wartete nur, bis sie im Haus verschwunden war, dann nickte er Zedwitz wohlwollend zu und ging ebenfalls ins Haus. Wie sich zeigen sollte, waren fünf Minuten bei Frau Rosenberg auch leicht eine gute halbe Stunde, und ohne sie konnte man mit dem Frühstück natürlich nicht beginnen. Doch es kam zu einer weiteren Verzögerung, denn Zedwitz überraschte die Reisegruppe mit der Mitteilung, dass er nicht mit nach Salzburg kommen könne. Er fühle sich nicht wohl und werde deshalb nach Seeon zurückkehren.
    „Sie sind krank!“, rief Hamilton bestürzt. „Dann sollten Sie nicht allein zurückfahren. Wenn Sie möchten, werde ich Sie begleiten.“
    „Das ist nicht nötig“, sagte Zedwitz und warf ihm einen verschwörerischen Blick zu, bevor er sich von den anderen verabschiedete. Dann nahm er Hamilton kurz beiseite und sagte leise: „Sie brauchen mich nicht zu begleiten, ich bin in Wirklichkeit nicht krank, jedenfalls nicht körperlich. Isabelle hat meinen Antrag so eindeutig zurückgewiesen, dass ich ihn nicht wiederholen werde. Ich werde jetzt so schnell wie möglich nach Seeon zurückkehren und hoffe, dass meine Schwester noch nicht mit meinem Vater gesprochen hat. Ich war vermutlich ein Narr, mir überhaupt Hoffnungen zu machen.“
    „Ich könnte mir vorstellen, dass Sie Ihnen nur deshalb einen Korb gegeben hat, weil ihr klar war, dass Ihre Eltern sie nicht als Schwiegertochter akzeptieren würden.“     
    „Nein, das ist nicht der Grund. Ich bin gar nicht dazu gekommen, großartig über meine Familie zu sprechen. Sie sagte, dass sie mich als Freund betrachte, aber mehr auch nicht. Es tue ihr leid, wenn sie sich so verhalten habe, dass ich auf andere Gedanken kommen konnte. Sie war sehr ruhig und sehr bestimmt, als sie das sagte, so als habe sie sich diese Worte bereits lange vorher überlegt. Ich bin bis vorhin gar nicht auf diese Idee gekommen, aber halten Sie es für möglich, dass ihr Herz bereits vergeben ist?“
    „Es wäre vielleicht möglich, aber ich halte es für wenig wahrscheinlich. Sie war bis vor zwei Monaten auf einer Mädchenschule ...“
    „Ihre Schwester war mit ihr auf dieser Schule, sie ist zwei Jahre jünger, und bei ihr haben zwei Monate gereicht, um sich in Sie zu verlieben und sich mit einem Anderen zu verloben“, sagte Zedwitz mit einer gewissen Bitterkeit.
    „Ich bitte Sie, sie hat sich nicht in mich verliebt“, sagte Hamilton und fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. „Sie ist viel zu jung, um ihre eigenen Gefühle genau zu kennen, und das, was sie vielleicht heute für Verliebtheit hält, entpuppt sich morgen als harmlose Schwärmerei oder reine Koketterie.“
    „Nun, wenn Sie meinen … Ich muss jetzt abreisen, meine Kutsche steht bereit. Ich werde an der nächsten Station Postpferde nehmen, um so schnell wie möglich nach Seeon zu kommen. Wenn Sie zurückkommen, werde ich sicher nicht mehr dort sein, aber Sie kennen meine Adresse in München, und ich erwarte, Sie dort zu sehen. Adieu!“ Er sprang in den Wagen, nickte ihm kurz zu und fuhr davon.
    „Da fährt er hin“, dachte Hamilton mit einem Anflug von Sarkasmus. „Er hat einfach kampflos aufgegeben. – Aber was hätte er tun sollen? Sich erschießen, wie Goethes Werther? Das wäre

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