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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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lächerlich. Was würde ich an seiner Stelle tun? Ich habe keine Ahnung, ich war bisher nie in dieser Situation.“
    Hamilton setzte sich zu den anderen an den Frühstückstisch, wo Madame Rosenberg ihm Kaffee einschenkte und sich ausgiebig wunderte, dass der Graf so plötzlich erkrankt sei, nachdem ihm am frühen Morgen doch scheinbar gar nichts gefehlt habe. Er zog es vor, nicht zu antworten, und eine halbe Stunde später saßen sie in ihrem Wagen und rollten Salzburg zu.
     
    7
    Hamiltons Reise nach München gestaltete sich angenehmer, als er gedacht hatte. Er teilte sich eine Kutsche mit Isabelle, dem Kindermädchen, Franz und Peppi. Die anderen saßen im zweiten Wagen und würden auf der Fahrt, wie Franz ausplauderte, über Sophies geplante Hochzeit sprechen. Isabelle schien anfangs wenig geneigt, eine Unterhaltung mit Hamilton anzufangen, aber allmählich wurde sie gesprächiger und weniger abweisend. Es zeigte sich, dass sie weit mehr gelesen hatte, als ihre Stiefmutter wohl ahnte, und sie verriet, dass sie vorhabe, ihre Studien in München fortzusetzen. Ihr Vater besaß eine ansehnliche Bibliothek, die sie benutzen dürfe, und ihre Mutter hatte ihr versprochen, sie in der Leihbibliothek anzumelden, wenn auch unter der Voraussetzung, dass sie nur französische Literatur las. Sie fügte hinzu, dass sie sehr gerne Romane und Gedichte lese.
    „Gedichte!“, rief er erstaunt. „Ich hätte gedacht, das wäre eher etwas für Ihre Schwester.“
    Kaum hatte er das Wort „Schwester“ ausgesprochen, als sie förmlich zu erstarren schien. Sie wandte sich von Hamilton ab und blickte regungslos aus dem Fenster, ohne auf seine weiteren Bemerkungen einzugehen. Stattdessen erklärte sie ihrem kleinen Bruder, dass er im kommenden Winter auf keinen Fall wieder Schneebälle mit ins Haus bringen dürfe. Hamilton lehnte sich mit einem Lächeln, das Isabelle, hätte sie es gesehen, vielleicht als höhnisch bezeichnet hätte, in seinem Sitz zurück. Konnte es wirklich sein, dass die schöne stolze Isabelle insgeheim darüber verstimmt war, dass er Sophie bisher mehr Aufmerksamkeit geschenkt hatte als ihr? Am Nachmittag war Madame Rosenberg seine Reisebegleiterin und füllte die Stunden bis zu ihrer Ankunft in München mit allerlei Geschichten über dieses und jenes.  
    Hamilton wurde von der ganzen Familie begleitet, als er die beiden für ihn bestimmten Zimmer in Besitz nahm. Sie befanden sich auf der Rückseite des Hauses, gingen auf eine andere Straße hinaus und waren über eine Hintertreppe zu erreichen, was für einen alleinstehenden Herrn ideal sei, wie ihm Frau Rosenberg versicherte, da er einen eigenen Hausschlüssel bekommen werde, so dass er auch zu später Stunde nach Hause kommen könne, ohne dass die Dienstboten wegen ihm wach bleiben müssten. Sophie antwortete kaum hörbar, als er ihr eine gute Nacht wünschte, und er ahnte, was in ihr vorging. Er war fest entschlossen, sich künftig in keiner Weise mehr zwischen sie, ihre guten Vorsätze und Major Stutzenbacher zu drängen.
    Am nächsten Vormittag war er damit beschäftigt, seinen Bankier aufzusuchen, in die Bibliothek zu gehen, ein Theater-Abonnement für sechs Monate zu erwerben und ein paar Spielsachen für Franz, Gustel und Peppi zu kaufen. Er kam nach zwölf Uhr zurück und stellte fest, dass man mit dem Essen auf ihn gewartet hatte. Madame Rosenberg teilte ihm dies diskret mit, indem sie laut aus dem Kinderzimmer rief: „Du kannst jetzt die Suppe auftragen, Walli, der Herr Hamilton ist gekommen.“
    Was den „Herrn Hamilton“ anging, hätte die Suppe allerdings ruhig in der Küche bleiben können, denn er hatte sich noch nicht an die deutsche Suppe gewöhnt, die in Wirklichkeit eine klare Brühe war, und spielte deshalb mit seinem Löffel, bis das gekochte Rindfleisch, das stets danach aufgetragen wurde, kam. Den Abschluss der Mahlzeit bildete ein Stück Zwetschgenkuchen, der ausgezeichnet schmeckte, für ihn aber wohl für immer unaussprechlich bleiben würde. Die Familie erhob sich und Hamilton wollte eben den Raum verlassen, als Madame Rosenberg sagte: „Isabelle, heb bitte Herrn Hamiltons Serviette auf, siehst du nicht, dass sie auf dem Boden liegt?“  
    Hastig ging er zu seinem Platz zurück, hob sie auf und warf sie über die Lehne des Stuhls. Zu seiner Überraschung nahm Isabelle die benutzte Serviette, faltete sie zusammen, band ein blaues Band darum und legte sie wieder auf den Tisch.
    „Herr Smith hat mir gesagt, dass man in England

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