Die Versuchung
gewöhnlich gar keine Servietten benutzt“, sagte Madame Rosenberg. „Aber bei uns bekommen Sie natürlich eine.“
„Dass man in England keine Servietten benutzt? Sie haben ihn sicher falsch verstanden. Wahrscheinlich hat er gesagt, dass man bei uns Servietten immer nur einmal benutzt.“
„Eine Serviette nur einmal benutzen?“, rief Madame Rosenberg. „Wenn das der Fall wäre, dann hätte ich eine schöne Wäsche! Mein Mann hat einen Schnurrbart und erhält deshalb pro Woche zwei. Sie haben keinen Bart, also hoffe ich, dass Sie wie die Mädchen mit einer auskommen werden.“
„Wenn das so ist, werde ich mir natürlich sofort einen Schnurrbart wachsen lassen, damit ich auch zwei Servietten bekomme“, sagte Hamilton lachend, als er das Zimmer verließ.
Sophies Verlobung fand wenige Tage später statt. Hamilton hatte eine förmliche Zeremonie erwartet, aber keiner der anwesenden Gäste schien sie als etwas anderes zu betrachten als einen willkommenen Anlass, um Wein oder Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen. Für Sophie war dieser Tag nicht unbedingt ein Tag reiner Freude, wie ihre nervöse Anspannung verriet. Und als ihre Geburts-, Tauf- und Kommunionsscheine auf dem Tisch ausgebreitet, der Ehevertrag laut vorgelesen und zur Unterschrift vorgelegt worden war, machte sie sogar einen Versuch, aus dem Zimmer zu flüchten. Sie wurde von Verwandten mit einiger Mühe zurückgebracht und erhielt von ihrem Vater die Feder, mit der sie ihren Namen schrieb. Der ansehnliche Verlobungsring schien sie etwas ruhiger werden zu lassen, und nachdem sie ein Glas Champagner getrunken hatte, war sie in der Lage, die Glückwünsche ihrer Brautjungfern anzunehmen und über ihre Scherze zu lächeln. Als der Abend kam, wurde das Piano herein geschoben und kurz darauf erklang ein Walzer.
Hamilton zögerte nicht, Isabelle aufzufordern; man hatte ihm in England oft gesagt, dass er sehr gut tanze, und er war deshalb erstaunt und gekränkt, als sich seine Tanzpartnerin nach wenigen Runden, noch mitten im Tanz, wieder hinsetzte und erklärte, dass er ein sehr unangenehmer Tänzer sei.
„Sie sind die Erste, die mir das sagt“, erwiderte er etwas pikiert. „In London habe ich oft gehört, ich sei ein ausgezeichneter Tänzer.“
„Andere mögen das finden“, gab sie kurz angebunden zurück und beobachtete Sophie und Major Stutzenbacher.
„Wie gut der Major tanzt“, sagte Hamilton, als beide kurz darauf in seiner Nähe stehen blieben.
„Und Sie – warum tanzen Sie nicht?“, fragte Sophie.
„Ihre Schwester sagt, dass ich schlecht tanze.“
„Nein, ich habe gesagt, dass Sie ein unangenehmer Tänzer seien“, sagte Isabelle. „Andere mögen anders darüber denken, aber ich kann es nicht leiden, wenn ich so dicht gehalten werde, dass ...“
Hamilton lief hochrot an und sie ließ ihren Satz unvollendet.
„Vielleicht tanzt man in England anders“, sagte Sophie.
„Wahrscheinlich tanzt man dort gar nicht Walzer“, bemerkte der Major.
„Doch, doch, selbstverständlich ...“
„Nun, auf alle Fälle wird er immer ein echt deutscher Tanz sein und bleiben, und so ist es sicher keine Beleidigung, wenn ich feststelle, dass wir Deutschen ihn besser tanzen als die Engländer. Ich bezweifle nicht, dass Sie die Anglaise und die schottischen Tänze vollkommen beherrschen ...“
„Ich habe keinen dieser Tänze jemals getanzt“, sagte Hamilton kühl.
„Nun, Française, Quadrille oder wie auch immer die komplizierten Tänze heißen, die jetzt auch bei uns in Mode kommen.“
Hamilton antwortete nicht. Er hatte sich an Sophie gewandt und bestand darauf, mit ihr zu tanzen, damit sie ihm erklären könne, was an seinem Tanzstil falsch sei. Sie murmelte das Wort „Extratour“, das den Major zufrieden zu stellen schien, und folgte dann seiner Bitte. Sonderbarerweise beklagte Sophie sich nicht darüber, dass er sie zu dicht halte, sie fand an ihm als Tänzer überhaupt nichts auszusetzen und bemerkte auf seine Nachfragen nur, dass er vielleicht nicht ganz so weich und fließend tanze wie ein Deutscher.
„Isabelle, hilf mir, Kerzen auf die Leuchter zu stecken“, rief Madame Rosenberg.
Isabelle stand auf. Als sie an Hamilton vorbei ging, sagte sie leise: „Ich finde Sie und Ihre Überheblichkeit einfach widerlich.“
„Was Sie nicht sagen“, erwiderte er. „Ich wünschte, Sie würden mich ganz einfach hassen.“
„Dieser Wunsch sei Ihnen erfüllt. Ich fühle für Sie die größte
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