Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
Vom Netzwerk:
stieg wieder aus und klingelte im ersten Stock, um sich zu bedanken. Fräulein Hoffmann kam heraus und rief: „Ich wusste, dass Sie diejenige sein würden, die mit uns fährt. Ihre Schwester konnte natürlich nicht den Major allein lassen. – Wir werden auch bald fahren, ich warte nur noch auf meinen Verlobten, der uns begleiten wird. Kommen Sie doch bitte mit in den kleinen Salon ...“
    „Ich muss leider oben noch ein paar – Anweisungen geben, ich werde jedoch sehr bald wieder hier sein.“
    „Bitte, tun Sie das“, sagte Fräulein von Hoffmann. „Aber ich muss Ihnen gleich sagen, dass Sie mir so außerordentlich sympathisch sind, dass ich die Hoffnung habe, wir könnten wirklich gute Freundinnen werden.“
    Isabelle lächelte.
    Wenig später rief sie Hamilton zum Mittagessen. Sie hatte inzwischen den „Küchendienst“ von ihrer Schwester übernommen, und so wunderte er sich nicht, dass sie eine Serviette wie eine Schürze an ihrem Kleid befestigt hatte, als sie die Suppenterrine hereintrug. Nachdem sie die Suppe auf den Tisch gestellt hatte, setzte sie sich ans Fenster, nahm ein Buch und begann zu lesen.
    „Haben schon alle anderen gegessen?“, fragte Hamilton.
    „Ja, und sie sind bereits fort.“
    „Sie wollen doch nicht sagen, dass Sie zuhause bleiben müssen?“
    „Nein, nein, ich soll mit den Hoffmanns fahren.“
    Natürlich wollte sich auch Hamilton das Oktoberfest nicht entgehen lassen. Er schloss sich zu Pferde den Fußgängern an, die von allen Seiten zur Theresienwiese strömten. Er wunderte sich nicht wenig, dass ein Landwirtschaftsfest mit Pferderennen solche Menschenmassen anzog. Die Königin befand sich schon längst auf der Tribüne und der König verteilte eben die letzten Preise, als Hamilton ankam. Er ritt auf die Stelle zu, wo sich die Reiter versammelten. Plötzlich scheute sein Pferd, bäumte sich auf, sprang vorwärts und seitwärts, und wäre er kein so erfahrener Reiter gewesen, hätte es ihn wohl abgeworfen. So aber schaffte er es, im Sattel zu bleiben, und das Pferd wieder zu beruhigen. Da hörte er eine Frauenstimme hinter sich: „Sie scheinen um Ihren englischen Freund zu fürchten, Mademoiselle. Fragen Sie ihn, ob er nicht sein Pferd unserem Knecht geben und sich das Rennen aus unserem Wagen ansehen will.“
    Hamilton drehte sich um und sah Isabelle neben Frau von Hoffmann. Er ritt dicht zu ihr heran und sagte leise: „Ich habe mich gerade nach Ihnen umgesehen und schon stehen Sie hinter mir. – Bitte stellen Sie mich doch vor, ich möchte Ihre Freunde kennen lernen.“ Isabelle folgte seiner Bitte, als ein Offizier, der ihnen gegenüber saß und den Hamilton sofort als den Bewunderer der Leuchter und Kaffeekannen im Schaufenster erkannte, sagte: „Ich hoffe, dass Sie mich einschließen. Wenn ich vielleicht auch kein Freund bin, so gehöre ich als naher Verwandter doch immerhin zum Kreis Ihrer Bekannten.“
    Hamilton sah erstaunt auf und Isabelle errötete leicht, als sie lächelnd erklärte: „Mein Cousin, Graf Raimund.“
    Hamilton verbeugte sich regungslos, aber ihm fiel sofort ein, was Zedwitz ihm über Graf Raimund erzählt hatte. Er wusste in diesem Moment, dass es ihm gelingen würde, Zutritt zur Rosenbergschen Familie zu erhalten, und zwar auf  gefährliche Weise, nämlich als Verwandter, als Cousin. Er kannte aus eigener Erfahrung die Vorteile einer solchen Verwandtschaft und die Vertraulichkeit, die sie gestattet, ohne Argwohn zu erregen. Und obwohl er wusste, dass Raimund mit Fräulein Hoffmann verlobt war und vermutlich wenig Gelegenheit haben würde, Isabelle mit Aufmerksamkeiten zu überhäufen, versetzte ihm der Gedanke einen Stich. Raimund war ein schlanker junger Mann in seinem Alter, mit vollen Lippen, blauen Augen, dunklen Haaren und Schnurrbart. Er suchte sofort das Gespräch mit Hamilton, sprach von England, Jagden, Pferden und englischen Gewohnheiten.
    „Sie müssen einige Zeit in England gelebt haben“, bemerkte Hamilton.
    „Mein Wissen stammt ausschließlich aus Büchern“, antwortete Raimund lächelnd und offenbar geschmeichelt. Er fuhr in seinen Ausführungen über England fort, aber mit einer gewissen Arroganz, die Hamilton ärgerte, weshalb er die nächstbeste Pause nutzte, um sich zu verabschieden und sein Pferd wieder in Empfang zu nehmen.
    „Meine schöne Cousine scheint ein gewisses Gefallen an ihrem englischen Gast gefunden zu haben“, sagte Raimund lächelnd. „Er ist ohne Zweifel eine beeindruckende Erscheinung, aber ich habe

Weitere Kostenlose Bücher