Die Versuchung
Sie vertrauenswürdig sind. Sie sind für mich fast wie ein Mitglied der Familie.“
„Da fällt mir ein Stein vom Herzen, dass Sie mich nicht für die Unheil bringende Person halten.“
„Nein, Sie können es nicht sein – diese Person scheint irgendwie mit uns verwandt zu sein.“
„Und das sehen Sie in den Karten?“, fragte Hamilton ungläubig.
„Schauen Sie, ich kann es Ihnen erklären“, sagte Madame Rosenberg. „Sehen Sie, dieses Ass ist unser Haus.“
„Das ist ein Ass? Die deutschen Karten sind ebenso schwer zu lernen wie die deutsche Sprache. Ich kenne keine einzige dieser Karten.“
„Oh, sie lassen sich sehr leicht lernen.“
„Aber dieses Herzass ist doppelt – das ist wahrscheinlich der Herzkönig – aber wo ist die Dame?“
„Diese Karte entspricht der Dame.“
„Was? Der Mann, der sich auf den Degen stützt?“
„Sophie, komm her und erkläre Herr Hamilton das Kartenspiel auf Französisch“, rief Madame Rosenberg.
Sophie kam sehr bereitwillig zu ihnen an den Tisch. Nach ihrer Erklärung begannen sie ein ganz einfaches Kartenspiel, wobei sie sechs Kreuzer als Einsatz setzten, und da Hamilton sich ständig irrte, hatte er nach einer halben Stunde mehrere Gulden verloren. Sophies Freudenschreie veranlassten ihre Mutter, sich umzusehen, und kaum hatte sie bemerkt, worum es ging, nahm sie das von Sophie gewonnene Geld, gab es Hamilton trotz seines Protestes zurück, holte einige farbige Marken aus einer Kommode, die sie verteilte, und erklärte, dass sie diese als Geld ansehen sollten – das sei für junge Leute wesentlich passender als um Geld zu spielen. Sie fügte hinzu, dass es sich auch nicht gehöre, um Geld zu spielen, wenn man gar nicht in der Lage sei, mögliche Spielschulden hinterher zu bezahlen. Sophie wurde rot und stammelte: „Ich – ich habe mehr als einen Gulden Taschengeld und – und Herr Hamilton würde sicher bis Weihnachten warten, dann gibt mir der Papa jedes Mal drei Gulden.“
„Natürlich hätte ich bis Weihnachten warten können“, bestätigte Hamilton. „Auf alle Fälle“, sagte er zu Frau Rosenberg, „können Sie mich nicht wie ein Kind behandeln und mich zwingen, das was ich verloren habe, wieder zu nehmen. Aber wenn Sie uns verbieten, weiter zu spielen, so müssen wir natürlich gehorchen.“
Da sie keine Lust hatten, ihr Spiel mit Märkchen fortzusetzen, begannen Sophie und Hamilton damit, Kartenhäuser zu bauen, wobei sie sich halblaut auf Französisch unterhielten, was weder Madame Rosenberg noch der Major verstanden. Erstere hatte angefangen zu stricken, während Stutzenbacher das Mienenspiel seiner Verlobten beobachtete, die in ihre Beschäftigung völlig vertieft zu sein schien. Kurz darauf kam Isabelle wieder und Sophie schien vor Neugier zu platzen. Vor allem interessierte es sie, wie dieses Fräulein von Hoffmann war und ob sie ihren Verlobten kennen gelernt habe.
„Ihr Verlobter ist Graf Raimund, stell dir vor! Einer unserer nächsten Verwandten – er ist unser Cousin.“
„Unser Cousin? Aber – aber ich dachte, dass seine Familie mit uns nichts zu tun haben will?“
„Wir können ihn nicht für die Unfreundlichkeit seiner Eltern verantwortlich machen, Sophie. Er nennt mich ganz selbstverständlich seine Cousine und Isabelle, und er spricht auch von dir, als ob er dich schon lange kennen würde. Er will morgen kommen, um die Mama zu besuchen.“
„Tatsächlich?“, sagte Madame Rosenberg trocken.
„Er sagt, dass du gewissermaßen seine Tante bist, weil du den Papa geheiratet hast.“
„Es ist seltsam, dass er die Verwandtschaft erst heute entdeckt hat. Solange deine Mutter noch gelebt hat, haben die Raimunds so getan, als ob sie den Namen deines Vaters vergessen hätten. Jedenfalls bin ich natürlich nicht seine Tante, wir sind nicht miteinander verwandt. Er wird wohl glauben, dass er mir damit schmeichelt – aber das ist nicht der Fall. Es wundert mich nur, dass er so plötzlich Interesse an unserer Familie zeigt.“
„So erstaunlich ist das nicht“, bemerkte Stutzenbacher. „Ein junger Mann ist immer dankbar, wenn er hübsche junge Damen näher kennen lernen kann.“
„Mein lieber Major, der junge Mann ist mit Fräulein Hoffmann verlobt, wird im nächsten Frühjahr heiraten und dürfte kein Interesse an anderen Damen haben.“
„Manche Männer verlieren das Interesse an hübschen Damen nie, und was diesen Graf Raimund angeht, so gehört er, wenn ich mich nicht sehr irre, zu diesen Männern. Ich
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