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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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gesagt, dass das Grab ihrer Mutter jedes Jahr auf diese Weise geschmückt worden ist“, erklärte Rosenberg. Und zu Isabelle gewandt: „Morgen können wir allein hingehen, aber heute musst du deine Stiefmutter begleiten.“
    Hamilton befahl seinem Reitknecht, auf den Friedhof nachzukommen, und ritt zur Kaserne. Er war nicht besonders überrascht, dass Zedwitz sofort Interesse an einem Besuch der Gräber äußerte, als er hörte, dass Isabelle auch dort sein würde.
    „Es scheint, als ob sich ganz München in Trauer befindet“, sagte Hamilton, als sie die Straße entlang ritten. „Die Menschenmassen erinnern mich an das Oktoberfest, nur die Kleider passen nicht dazu. Ich bin Protestant, aber wäre es nicht passend, bei einem solchen Anlass traurig auszusehen?“
    „Aber warum?“, rief Zedwitz leicht amüsiert. „Viele von ihnen werden die Gräber von Verwandten besuchen, die vielleicht seit zwanzig Jahren tot sind, die sie kaum gekannt haben.“
    „Der Gedanke, für die Seele von Verstorbenen zu beten, erscheint mir auf jeden Fall sehr poetisch. Ich frage mich nur, warum man das an Allerheiligen tut und nicht an Allerseelen, schließlich dürfte doch wohl kaum jemand mit einem verstorbenen Heiligen verwandt sein.“
    „Sie stellen wirklich schwierige Fragen“, lachte Zedwitz. „Ich weiß nur, dass diese Tradition schon sehr alt ist. Wenn Sie genauere Auskünfte wünschen, so fragen Sie am besten meine Mutter. Apropos: Wann gedenken Sie, uns zu besuchen?“
    „Sobald ich ein zweites Pferd und einen Schlitten habe. Ich freue mich so auf das Schlittenfahren, dass ich wünschte, es würde morgen anfangen zu schneien.“
    Sie waren am Friedhof angelangt, der so voller Menschen war, dass sie kaum vorwärts kamen. Hamilton betrachtete interessiert die Grabsteine und Kreuze, die mit Girlanden, Kränzen, Blumensträußen und bunten Lampen geschmückt waren. Der Versuch, die Rosenbergs in der Menge zu finden, schien aussichtslos, als sie plötzlich auf die Hoffmanns und Raimunds trafen, die sie zum Grab der Familie führten. Madame Rosenberg hielt in der Hand einen in Wasser getauchten kleinen Besen, den sie über dem Grab schüttelte. Isabelle und Sophie folgten ihrem Beispiel. Sowohl Raimund als auch Zedwitz bemühten sich sofort um Isabelles Aufmerksamkeit, aber sie schien heute keine Augen für ihren Cousin zu haben, was dieser mit den Worten quittierte: „Isabelle weiß, was sie tut. Sobald Zewitz da ist, hat sie keinen Blick für ihren armen Cousin.“
    „Sie erhalten jeden Abend, wenn sie bei uns ist, Worte und Blicke genug“, bemerkte Frau von Hoffmann süffisant.
    Die Worte „jeden Abend“ ließen Hamilton leicht zusammenzucken – da er jetzt abends nur noch selten zuhause war, waren ihm Isabelles häufige Besuche bei Hoffmanns nicht aufgefallen. Sie hatten jetzt das Tor des Friedhofs erreicht und Zedwitz flüsterte ihm zu: „Ich muss mich beeilen, sonst sind sie fort. Ihr Rat, was Isabelle angeht, war vortrefflich und ich bin entschlossen, ihn zu befolgen. Bitte lassen Sie Ihren Knecht für mein Pferd sorgen.“
    „Mein Rat?“, erwiderte Hamilton mit gezwungenem Lachen, aber Zedwitz eilte davon und wurde von der Menge verschluckt. Hamilton murmelte seinem Reitknecht einige Befehle zu und sprang auf sein Pferd. Der Braune, der immer ein wenig nervös war, schlug heftig nach hinten aus, und als Hamilton die Zügel straff anzog, bäumte er sich ohne Vorwarnung auf, vollführte einen kurzen Tanz auf den Hinterhufen, verlor das Gleichgewicht und stürzte hintenüber, wobei er seinen Reiter abwarf und über ihn fiel.  
    Hamilton wurde bewusstlos aufgehoben. Zedwitz stürzte herbei, Major Stutzenbacher bemühte sich, Sophie zu beruhigen, die laut aufgeschrien hatte und nun heftig schluchzte. Raimund erklärte seiner Verlobten kaltblütig, dass Hamilton die Unberechenbarkeit seines Pferdes von Anfang an gekannt habe, aber er sich für einen so exzellenten Reiter gehalten habe, dass ihn das nicht vom Kauf abgehalten habe. Isabelle eilte, nachdem sie von einer Fremden ein Fläschchen Kölnisch Wasser bekommen hatte, zu Zedwitz, und bemühte sich mit ihm, Hamilton aus seiner Ohnmacht zu holen. Er öffnete halb die Augen, sah sie an, und murmelte etwas auf Englisch, als Zedwitz ihn ansprach.
    „Wir müssen einen Wagen holen und ihn so schnell wie möglich nach Hause bringen“, sagte Zedwitz. „Er könnte schwere innere Verletzungen haben.“
    „Das ist wirklich entsetzlich“, rief Madame Rosenberg,

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