Die Versuchung
Hamilton sarkastisch. „Mit der Zustimmung seiner Eltern wäre es eine sehr vorteilhafte Partie für Sie gewesen. Aber warum haben Sie so schnell aufgegeben? Zedwitz wäre einem heimlichen Verhältnis sicher nicht abgeneigt gewesen. Der alte Graf wird sich in absehbarer Zeit mit seinen Wasserkuren umbringen, und wenn er nicht mehr im Wege steht, dürfte die Gräfin ihren Widerstand früher oder später aufgeben. Es ist wirklich schade, dass Sie daran nicht gedacht haben.“
Isabelle sah ihn mit funkelnden Augen an und fauchte: „Oh, ich verdiene diese Beleidigungen, weil ich Ihnen vertraut habe, Sie hinterhältiger, gemeiner Schuft!“
Hamilton zuckte zusammen, als sie die Zimmertür heftig hinter sich zuschlug. Er hätte seine letzten Worte gern zurückgenommen, die ihm seine Eifersucht diktiert hatte, aber dafür war es zu spät. Er versuchte nicht länger, sich selbst über seine wahren Gefühle für Isabelle zu täuschen. Aber was sollte er nun tun? Er dachte einen Augenblick daran, München zu verlassen und nach Wien zu gehen, aber dann fand er es lächerlich, aus diesem Grund seine Pläne aufzugeben und regelrecht zu fliehen. Er beschloss daher, zu bleiben, wo er war, aber sich anderen Dingen zuzuwenden. Er wollte mehr lernen, Vorlesungen an der Universität besuchen, reiten, spazieren gehen, den englischen Gesandten besuchen, sich bei Hofe vorstellen lassen, engeren Kontakt zu den in München lebenden Engländern zu pflegen und Abendeinladungen anzunehmen.
Da er innerlich immer noch aufgewühlt war, beschloss er, sich durch einen Abendspaziergang abzulenken. Er wandte sich vom Fenster ab und erschrak, als er bemerkte, dass jemand hinter ihm stand – es war Sophie. In ihren Augen standen Tränen und sie sagte mit kaum hörbarer Stimme: „Ich muss Sie etwas fragen. Haben Sie heute Abend zu Major Stutzenbacher gesagt, dass Sie mich nie bewundert und nie geliebt haben?“
„Nein – ich glaube, ich habe zu ihm gesagt, dass ich Sie bewundere – so wie Ihre Schwester.“
„Ich weiß, dass Sie das gesagt haben“, rief Sophie. „Aber jetzt sagt er, Sie hätten etwas ganz Anderes gesagt, dass Sie Isabelle vorzögen und sie viel mehr bewundern ...“
„Mein Gott, muss ich denn über jedes Wort, das ich sage, Rechenschaft ablegen?“, rief Hamilton verärgert.
„Pst! Schreien Sie nicht so laut – er könnte Sie hören!“
„Wer?“
„Major Stutzenbacher, er wartet auf mich. Ich habe ihm gesagt, ich könne das nicht glauben, was er erzählt … Sagen Sie mir, bedeute ich Ihnen jetzt nichts mehr? Ziehen Sie Isabelle vor?“
„Gütiger Himmel“, sagte Hamilton, „was für Fragen … Ich liebe und bewundere Sie beide. Aber weil der Major heute Abend eifersüchtig war, gab ich natürlich Isabelle den Vorzug.“
„Nur deshalb? Der Major besteht darauf, dass Sie sich überhaupt nie etwas aus mir gemacht haben und schon immer Isabelle bevorzugt haben ...“
„Und wenn es so wäre?“, fragte Hamilton ungehalten.
„Wenn es – dann – dann werde ich nie wieder einem Mann vertrauen!“
„Das ist auf jeden Fall ein guter Vorsatz. Uns Männern sollte man grundsätzlich nie vertrauen. Und Sie wissen, was Ihre Schwester sagt: dass ich nicht besser bin als alle Anderen.“
„Ist das Ihre Antwort?“, fragte Sophie.
„Wenn Sie es für eine Antwort halten wollen, dann wäre ich Ihnen überaus dankbar, denn ich weiß wirklich nicht, was ich dazu noch sagen soll ...“
„Das reicht“, sagte sie und wandte sich ab.
„Bleiben Sie!“, rief Hamilton, der endlich begriff, dass er gerade im Mittelpunkt eines familiären Dramas stand. „Sagen Sie mir – was haben Sie zu dem Major gesagt?“
„Er wirft mir vor, dass ich … dass mir ein Anderer lieber wäre als er … und … ich gab es zu. Er nannte Ihren Namen und ...“
„Ich verstehe“, sagte Hamilton hastig. „Kommen Sie, ich werde ihm alles zu seiner Zufriedenheit erklären.“
Sie traten in das angrenzende Zimmer – aber es war leer.
„Er – er ist zur Mama gegangen“, rief Sophie. Dann setzte sie sich und sagte: „Jetzt ist es mir gleich, was passiert.“
„Aber mir nicht!“, rief Hamilton. „Ich will nicht dafür verantwortlich sein, dass Ihre Verlobung aufgelöst wird. Es bleibt mir in dieser Situation nichts anderes übrig, als zu ihm zu gehen und die ganze Schuld auf mich zu nehmen. Wenn Sie sich später weigern, ihn zu heiraten, ist das Ihre Sache. Das ist eine Lektion, die ich sicher nie vergessen werde.“
Als
Weitere Kostenlose Bücher