Die Versuchung
artig gewesen sein, Herr Hamilton, sonst hätte es den Wunschzettel nicht abgeholt. Ich werde sicher alles bekommen, was ich mir gewünscht habe.“
„Die Mama ist dem Christkind in der Lindenstraße begegnet“, ergänzte Peppi, „und es hat gefragt, ob ich ein braves Kind war, und als die Mama Ja gesagt hat, hat es versprochen, morgen Abend zu uns zu kommen und die Lichter am Baum anzuzünden und mir ein Gewehr und eine Kutsche und Bonbons und Pfefferkuchen mitzubringen.“
„Morgen ist der heilige Abend“, sagte Madame Rosenberg, „ein besonderer Tag! Captain Black hat mir gesagt, dass Sie ihn in England nicht auf dieselbe Weise feiern wie wir.“ Und flüsternd fügte sie hinzu: „Peppi glaubt noch fest an das Christkind, Gustel vielleicht schon nicht mehr ganz. Ich habe damals fest geglaubt, dass das Jesuskind mir alle meine Geschenke bringe, bis ich zwölf Jahre alt war.“
„Oh, wie ich mich dieses Jahr auf den heiligen Abend freue!“, rief Sophie.
„Das ist gut verständlich“, antwortete ihre Mutter, „du weißt, dass du viele Geschenke bekommen wirst. Der Major hat dir eine goldene Kette und einen Saphir-Ring versprochen und vielleicht bringt er aus Nürnberg auch noch etwas anderes mit.“
„Und was erwarten Sie als Geschenk?“, fragte Hamilton Isabelle.
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie mit einem Lächeln in Richtung ihres Vaters. „Aber vielleicht werde ich ein Ballkleid und ein paar Bücher bekommen. Die Mama hat mir einen eigenen Christbaum versprochen und ich werde Ihnen einen Teil meiner Süßigkeiten abgeben.“
„Oh, wenn doch schon morgen wäre!“, rief Gustel.
„Ich freue mich schon auf das gute Essen“, sagte Herr Rosenberg. „Obwohl wir im Moment nichts als Kalbfleisch zu essen bekommen, weil meine Frau das als eine Art Vorbeugungsmittel gegen Cholera ansieht.“
„Du fürchtest dich genau so vor der Cholera wie ich, Franz“, antwortete seine Frau und sagte flüsternd zu Hamilton: „Er lacht mich zwar aus, aber er nimmt jeden Abend Kampfer und Pillen ein.“
In Edelhof hatte Hamilton keine Gelegenheit gehabt, Weihnachtsgeschenke zu besorgen, das musste er nun am 24. Dezember nachholen. Er konnte sich erinnern, dass Isabelle einmal den Wunsch geäußert hatte, eine kleine Uhr zu besitzen. Das würde sein Geschenk für sie sein. Außerdem kaufte er natürlich Spielzeug für die Buben und kleine Geschenke für Sophie und Madame Rosenberg. Als er zurückkehrte, fand er die drei Knaben im Salon sitzen und betrübt dreinblicken.
„Wie spät ist es?“, riefen sie, als eintrat.
„Vier Uhr“, sagte Hamilton.
„Noch zwei Stunden warten“, seufzte Franz.
„Worauf?“
„Na, auf den Engel, der die Lichter anzündet“, erklärte Gustel.
„Wo sind eure Schwestern?“
„Sie sind wahrscheinlich bei der Mama und hängen die Bonbons auf und befestigen die Wachslichter am Baum. Aber bevor die Geschenke gebracht werden, müssen sie auch hinaus.“
„In welchem Zimmer sind sie?“
„Im Schulzimmer. Aber Sie brauchen nicht zu denken, dass Sie hinein kommen. Die Türen sind fest verschlossen.“
„Was glauben Sie, was Ihnen das Jesuskindlein schenken wird?“, fragte Peppi zutraulich. „Haben Sie auch einen Wunschzettel geschrieben und unter Ihr Kopfkissen gelegt?“
„Ich werde wahrscheinlich Bonbons bekommen.“
„Und was Anderes dazu“, sagte Gustel wissend.
„Du hast versprochen, nichts zu verraten“, rief Franz.
Im Flur hörte man die Stimme von Major Stutzenbacher und die Knaben sprangen ihm entgegen. Auf ihre Fragen nach den Geschenken antwortete er: „Sie sind gekommen oder kommen noch. Ich habe sie alle einpacken lassen und denkt nur – ich bin unterwegs dem Christkindlein begegnet und es hat sie mir alle abgenommen, um sie heute Abend selbst unter den Christbaum zu legen.“
Kurz darauf begrüßte Stutzenbacher Hamilton. „Sie sind wohl auch erst vor kurzem angekommen. In Nürnberg wollten mich alle Leute überreden, dort zu bleiben, um der Cholera aus dem Weg zu gehen, aber ich wollte Sophie nicht länger allein hier lassen. Ich habe übrigens die Absicht, doch noch in diesem Jahr ...“
„An mir würde es nicht scheitern, lieber Major“, antwortete Madame Rosenberg, „aber mein Mann hat es sich in den Kopf gesetzt, dass Sophie bis zu ihrem siebzehnten Geburtstag warten und vorher mit ihrer Schwester auf einen Ball gehen soll. Und wir wissen noch nicht, wann der erste Museumsball stattfinden wird.“
„Ach, Unsinn!
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