Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
hörbar ein und aus, bevor sie zuerst Nate, dann Dune und schließlich mir in die Augen sah. »Ihr drei habt im College alte Akten durchstöbert und dabei einen Schienbeinknochen aus einem Zeitriss herausgezogen?«
Nate nickte und strich unbeholfen über den Knochen. »Ich habe ihn zurückgetan, aber … ich weiß auch nicht.«
»Warum habt ihr ihn überhaupt erst aus dem Zeitriss rausgenommen?«, fragte Em ungläubig.
»Wir haben es nicht mit Absicht gemacht«, versicherte ihr Nate. »Keine Sorge. Er gehörte nicht zu jemandem, der ihn … äh noch brauchte.«
»Es spielt keine Rolle, warum und wieso – es ist nun mal passiert«, wandte ich ein. »Ich konnte Dad nichts davon sagen, weil er nicht wissen soll, wonach wir suchen und dass ich ihm den Schlüssel geklaut hab. Aber ich konnte den Rest des Skeletts auch nicht einfach liegen lassen. Es ist ein Beweisstück.«
»Es ist unheimlich.« Em sah zu mir auf. »Ein Skelett. In deinem Schrank. In deinem Schlafzimmerschrank . Ist das nicht gruselig?«
Ich klappte die Schranktür wieder zu. »Lasst uns weiter rekapitulieren.«
Em schloss die Augen und hielt sich die Hände vors Gesicht.
»Alles in Ordnung?«, fragte ich sie. »Soll ich dir ein Glas Wasser holen oder so?«
Sie spähte durch die Finger. »Vielleicht lieber einen Schluck aus deinem Flachmann?«
»Glaub mir, das ist nicht die Antwort.«
»So etwas Kluges habe ich dich schon lange nicht mehr sagen hören«, warf Michael von der Tür aus ein.
Em riss die Augen auf, und ich konnte ihre Erleichterung sehen und fühlen. Sie drang bis tief in ihre Seele vor.
Dune tippte Nate auf die Schulter. »Wir sollten uns auf den Weg machen. Wenn Liam uns alle in Kalebs Zimmer findet, weiß er gleich, dass irgendwas im Busch ist.«
»Wartet.« Nachdem Nate den Knochen auf meiner Kommode abgelegt hatte, warf ich ihm den Schlüssel zum Aktenraum des Naturwissenschaftlichen Instituts zu. »Kannst du den wieder an Dads Schlüsselring machen?«
»Eine meiner leichtesten Übungen.«
Ehe ich michs versah, war er verschwunden. Dune verdrehte die Augen und folgte ihm.
Michael warf seine Jacke aufs Bett und setzte sich neben Em.
»Ist er das?« Er deutete auf den Knochen.
»Ja.« Ich öffnete die Schranktür, machte Licht und ließ ihn die Farbe der Knochen vergleichen.
»Nur damit ich weiß, dass ich euch richtig verstanden habe: Als ihr in den Abstellraum gekommen seid, war das Skelett da. Und ihm fehlte ein Schienbeinknochen«, konstatierte Michael.
Ich nickte.
»Als ihr in dem Zeitriss gelandet seid, war das Skelett vollständig, und beim Verlassen der Szene habt ihr den Schienbeinknochen mitgebracht.«
»Ja, so war es.« Ich legte den Schienbeinknochen zu meinen Schuhen und schloss die Schranktür. »Von der ganzen Geschichte kriege ich Kopfschmerzen.«
Em hatte nichts gesagt. Michael rückte ihr näher und stupste sie an. »Woran denkst du? Ich merke doch, wie dein Hirn auf Hochtouren läuft.«
Sie zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. »Die Zeitrisse. Sie werden immer stärker und verändern sich. Plötzlich sehen uns die Zeitlosen nicht mehr. Und jetzt können wir sogar irgendwelche physischen Dinge aus den Szenen entfernen. Ich warte nur darauf, dass die Gegenwart von der Vergangenheit überlagert wird.«
»Was ist mit der Zukunft?«, fragte ich argwöhnisch. »Bis jetzt haben wir immer nur Zeitrisse aus der Vergangenheit gesehen, keine Szenen aus der Zukunft.«
Michael antwortete nicht.
»Wie lange ist es her, dass du Zeitrisse aus der Zukunft gesehen hast, Michael?« Em zog die Knie noch fester an die Brust.
»Eine ganze Weile. Im Spätsommer. Sie fingen an zu verschwinden, als die komplexeren Zeitrisse auftauchten.«
»Seit Jack begonnen hat, mit den Zeitachsen zu experimentieren«, überlegte ich laut.
»Ich verstehe nicht, was hier vor sich geht«, sagte Em. »Und dass ihr es anscheinend auch nicht versteht, ist nicht sehr beruhigend.«
»Jack fügt dem Kontinuum immer noch Schaden zu«, stellte Michael fest. »Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass wir bis Halloween Zeit haben, um ihn zu finden. Ich fürchte, dass die Welt, wie wir sie kennen, bis dahin vielleicht gar nicht mehr existiert.«
17. KAPITEL
W enn die Welt tatsächlich in Gefahr war, lag vor Lily und mir eine Menge Arbeit.
Das Murphy’s Law war so voll, dass ich an der Theke warten musste, bis mir ein Platz zugewiesen wurde. Die meisten anderen Gäste hockten vor ihren aufgeklappten Laptops. Ich bemühte
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