Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
Das wäre doch in der Stadtgeschichte erwähnt worden«, keuchte Lily. »Vor allem, weil hier doch so viele historische Gebäude stehen.«
»Wenn Jack und Cat das Feuer gelegt haben, und davon gehe ich aus, handelt es sich um einen zukünftigen Zeitriss. Nur mein Dad und Michael waren bislang in der Lage, die zu sehen. Die ganze Situation eskaliert, sobald ein weiterer Zeitriss auftaucht.« Meine Schritte auf dem Pflaster liefen mit den Gedanken in meinem Kopf um die Wette. »Die Zeit hat angefangen, sich auf uns zuzubewegen.«
Wenn Zeitrisse Einfluss auf lebende Menschen hatten und Emerson in ein loderndes Flammenmeer rannte …
Als wir das Phone Company in all dem Rauch erkennen konnten, näherte sich Em bereits dem seitlichen Teil des Gebäudes. »Halt!«, rief ich. »Lass sie nicht reingehen.«
Michael bekam Ems Arm zu fassen. Sie war so schnell gerannt, dass sie ins Stolpern geriet. »Lass mich los«, befahl sie und wollte sich losreißen.
»Du kannst da nicht rein«, beharrte ich, als wir die beiden eingeholt hatten. »Sieh dich mal um – das hier ist nicht das Ivy Springs, das wir kennen. Es ist ein Zeitriss.«
»Ein Zeitriss?« Em stand vollkommen reglos da und starrte auf das Gebäude. Das Phone-Company-Schild war verschwunden, genau wie die gepflegte Begrünung und Straßenbeleuchtung – all die Markenzeichen, die Thomas hinterlassen hatte. »Was soll das heißen?«
»Ein Zukunftszeitriss.« Michael erbleichte, als ihm dämmerte, was vor sich ging. »Einer, den wir alle sehen können.«
»Die Zeitrisse sind jetzt greifbar geworden«, sprach ich meine Gedanken aus. Eine heftige Welle von Panik erfasste mich. Sie ging von Em aus.
»Heißt das, wir können den Ausgang eines Ereignisses ändern, auch wenn wir gar nicht wirklich hier sind?«
»Möglicherweise«, erwiderte Michael grimmig. Niedergeschlagenheit verhärtete seine Züge, und er mied Ems Blick. »Was wir jetzt tun, könnte Auswirkungen auf die Vergangenheit oder auf die Zukunft haben.«
Em riss sich von Michael los und schüttelte den Kopf. »Wenn mein Bruder und Dru da drin sind, lasse ich sie nicht im Stich. Ich habe die Regeln schon einmal gebrochen. Da kommt es doch jetzt auch nicht mehr darauf an.«
Lily trat näher. »Vielleicht gibt es einen anderen Weg …«
»Nein.« Em schnitt ihr das Wort ab und wich zurück.
Die Flammen waren nur noch wenige Meter vom Gebäude zur Linken entfernt und näherten sich rasend schnell dem hinteren Teil des Restaurants, drohten alles niederzubrennen. Ich spürte, wie eine Erinnerung Ems Inneres umkrallte und sie förmlich zerriss, so heftig, dass ich mich vor Schmerz krümmte. »Ich weiß, wie es sich anfühlt zu verbrennen. Es versengt deine Haut, aber es scheint fast kalt. Dann kommt der Geruch.« Ihre Nasenflügel bebten. »Du kannst nicht entkommen. Es gibt kein Entrinnen.«
In ihrer ursprünglichen Zeitachse hatte Em schreckliche Verbrennungen erlitten. Die Ursache des Feuers war ein Busunfall, bei dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren. So widerwärtig Jacks Manipulationen auch gewesen waren, hatten sie Em dennoch das Leben gerettet, denn er hatte die Erinnerungen an diesen Teil ihrer Zeitachse gelöscht.
Es durfte nicht sein, dass sie jetzt wieder an die Oberfläche kamen.
»Em, bitte.« Ohne sie aus den Augen zu lassen, ging Michael langsam auf sie zu. »Tu das nicht. Vielleicht sind sie gar nicht im Gebäude.«
» Vielleicht reicht mir nicht.« Sie trat einen weiteren Schritt zurück. Entschlossenheit . »Ich werde sie und ihr Baby nicht sterben lassen.«
Das Dach des Nachbargebäudes stürzte mit lautem Krachen ein. Die Weinranken am Geländer der Terrasse gingen in Flammen auf, und ich sah fassungslos mit an, wie die schmiedeeisernen Streben augenblicklich rot aufglühten. Die gläsernen Terrassentüren, durch die man ins Restaurant gelangte, zerbarsten, und die Flammen schossen in den Innenraum.
Zu heiß. Zu schnell.
»Ich kann sie nicht auch noch verlieren.« Emerson wich noch einen Schritt zurück und raste dann auf die schwere Eichentür zu, stemmte sich dagegen und stürmte ins Innere.
»Emerson!«, schrie Michael und folgte ihr.
»Nein!« Lily packte meinen Arm und hielt mich entschlossen zurück, als ich hinter Michael her wollte. »Es wird nichts helfen, wenn du jetzt da reingehst.«
Ich spürte, wie Panik unter den Restauranttüren hervorquoll. »Ich kann nicht …«
»Wenn wir den Zeitriss verschwinden lassen, können wir das hier stoppen«, schrie sie über den
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