Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
ihn mir, und ich probierte es ebenfalls.
»Da stimmt was nicht«, rief ich. »Man kann ihn nicht mal ins Schloss stecken.«
»Ich weiß nicht, was los ist. Geh nach vorn. Ich muss sichergehen, dass es drinnen nicht brennt.«
Wir bogen um die Ecke des Murphy’s Law, blieben jedoch abrupt stehen.
Der nördliche Teil der Stadt stand in Flammen. Die gesamte Main Street brannte lichterloh.
Obwohl wir zwei Blocks entfernt waren, schlug uns die Hitze des Feuers bereits entgegen. Näher bei den Flammen begann der Asphalt sich zu wellen. Die Fensterscheibe des Cafés knackte, bekam einen Riss und explodierte.
»Wie konnte das so schnell passieren?« Lily schrie, doch ich konnte sie kaum verstehen. Das Brausen der Flammen war ohrenbetäubend. »Wir hätten doch was hören oder riechen müssen.«
»Wo bleibt die Feuerwehr?« Ich griff nach ihrer Hand und zog sie an mich, während ich mich bemühte, die Situation einzuschätzen. »Ich kann sie nicht mal hören.«
»Ich auch nicht. Wo sind sie nur geblieben?«
»Lily! Kaleb!«
Mit quietschenden Reifen kam Michaels Auto vor dem Murphy’s Law zum Stehen. Emerson sprang heraus und raste auf uns zu, dicht gefolgt von Michael. Sie warf sich in Lilys Arme. »Wo wart ihr nur? Wir haben seit heute Morgen nichts mehr von Kaleb gehört, und keiner von euch ist ans Handy gegangen.«
»Wir sind hergekommen, um euch zu suchen«, sagte Michael, während er seine Angst verdrängte und durch Besorgnis ersetzte. »Und jetzt … das Feuer …«
»Ich kann meinen Bruder nicht erreichen.« Flammen spiegelten sich in Ems Tränen. »Das hier ist alles, wofür er gearbeitet hat, und jetzt geht es buchstäblich in Flammen auf. Er und Dru mussten heute Abend beide arbeiten – es war eine Party für die städtische Theatergruppe geplant. Thomas hat sonst immer sein Handy dabei.«
»Thomas und Dru sind im Phone Company?«, fragte ich und sah von einem zum anderen.
Michaels Stirnfalten vertieften sich, als er Richtung Norden blickte.
Schock .
Ems Furcht war mir so vertraut geworden, dass ich sie augenblicklich spürte.
Das Phone Company war auf der Nordseite der Stadt.
»Emerson, nein!«
Michael war nicht schnell genug. Sie war schon auf die gewaltige Rauchwolke zugelaufen. Wir folgten ihr.
Je näher wir dem Feuer kamen, desto stärker regte sich meine Erinnerung. Der untere Teil der Flammen war nicht bläulich, sondern fast violett. Die Flammen verschlangen Steine und Holz, wobei beides fast gleich schnell niederbrannte. Nur eine Person war im Stande, ein solches Feuer zu entflammen, und nur eine Person konnte dafür sorgen, dass es sich so rasend schnell ausbreitete.
»Schnell. Em hat das Phone Company noch nicht erreicht.« Lily zog mich keuchend weiter. »Komm schon!«
»Das ist kein normales Feuer.«
»Was?«, rief sie fassungslos.
»Das ist so ein Feuer wie das, durch das Dads Labor niedergebrannt ist. Jack und Cat müssen dahinterstecken.« Vielleicht auch Ava, obwohl ich hoffte, dass es nicht so war. »Schaut euch mal um. Wieso sind keine Leute auf der Straße? Wo sind die ganzen Autos? Das hier sieht nicht aus wie Ivy Springs. Es sieht aus wie eine Filmkulisse oder wie eine Geisterstadt.«
Zweifel. Erkenntnis. Furcht.
Ich drehte mich um und spähte durch den Rauch in die Richtung, aus der wir gekommen waren. »Sieh mal, Lily.«
Keine Kürbisse auf dem Gehsteig, die darauf warteten, an Halloween beleuchtet zu werden. Keine hübsch bepflanzten Blumenkübel, keine schmiedeeisernen Bänke zwischen den Ahorn- und Birnbäumen. Die Nostalgie-Gaslaternen waren noch da, doch nur wenige brannten. Ansonsten lauter rissige Gehsteige voller Unkraut. Ein elektrisches Summen war zu hören, dann wurde plötzlich alles dunkel. Die einzige Lichtquelle war das orangefarbene Feuer vor dem nachtschwarzen Himmel.
Lily drückte meine Hand. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«
Ganz und gar nicht. »Ich glaube, wir sind gar nicht richtig hier.«
»Was?«, hauchte Lily.
»Ich glaube, wir sind in einem Zeitriss.«
46. KAPITEL
W ie können wir in einem Zeitriss sein?«, fragte Lily. »Wir haben das Feuer vom Fenster aus gesehen. Wir haben sogar die Sirenen gehört.«
»Aber als wir auf die Straße kamen, waren sie verstummt. Und dein Schlüssel fürs Murphy’s Law hat nicht funktioniert. Ich wollte nicht zu genau über die möglichen Implikationen nachdenken, und wir rannten wieder los in Richtung Phone Company.«
»Ich habe noch nie etwas von einem großen Feuer in Ivy Springs gehört.
Weitere Kostenlose Bücher