Die Versuchung der Zeit: Hourglass 2 - Roman (German Edition)
mein Messer zurück.«
Jack spielte einen Moment lang mit der Klinge und erwog seine Möglichkeiten, bevor er Teague anschaute. Er richtete die Spitze auf sich selbst und reichte Poe die Waffe.
»War das alles?«, fragte Poe und sah Teague fragend an.
»Ja, du kannst gehen.« Teague deutete auf den Ausgang.
Poe steckte sich das Messer in den Stiefel und verschwand in Richtung Treppe.
»So viele Lügen, Jack«, meinte Teague. »Hast du Kaleb schon die Wahrheit gesagt?«
Ich zuckte zusammen, als sie meinen Namen aussprach, und hatte das Gefühl, einen flehentlichen Ausdruck in Jacks Blick zu erkennen.
»Worüber?«, fragte ich.
»Jack hat so viele Geheimnisse. Woher er kommt, wo er gewesen ist. Er ist so viele Risiken eingegangen, um alles zu verbergen. Hat so viele Leben zerstört. Kaleb, ich finde, es wird langsam Zeit, dass du deinen Onkel Jack kennen lernst.«
»Onkel?« Das Wort war wie ein Schlag in die Magengrube.
»Jack ist ein Dreckskerl«, erklärte Teague. »Produkt einer Affäre seiner Mutter mit einem verheirateten Mann. Eine Affäre, derer dein Großvater Ballard sich sein Leben lang geschämt hat. Aufgrund seines Ehrgefühls sah er sich jedoch gezwungen, die Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. Als Kind hast du jedes zweite Wochenende bei deiner anderen ›Familie‹ verbracht, nicht wahr, Jack?«
Jack knurrte ein paar unverständliche Worte, und sein Gesicht wurde zu einer hässlichen Maske aus Bitterkeit und Zorn.
»Du hattest noch einen anderen Onkel, Kaleb, aber er ist als Kleinkind gestorben. Jack ist der Einzige, der genau weiß, wie er ums Leben gekommen ist. Du wurdest nach ihm benannt.«
»Mein Vater … er hat mir nie davon erzählt.« Ich verstand gar nichts mehr.
»Das konnte er auch nicht. Seine Erinnerungen sind verschwommen, weil sie nicht wahr sind. Jack hat sie manipuliert, um Vorteile zu haben. Deshalb hat er sich an Emerson rangemacht. Er will die Vergangenheit verändern, um sich selbst zum Helden zu machen für seine …«
Sie hielt inne, als ihr Blick auf Lily fiel, beziehungsweise auf das, was Lily in der Hand hielt.
»Wo kommt der her?«, fragte Teague und deutete auf den Skroll. Ihre Stimme war eiskalt geworden und scharf wie eine Rasierklinge. »Wie habt ihr ihn gefunden?«
»Er hatte ihn.« Ohne zu zögern, deutete Lily auf Jack und log so überzeugend, dass ich ihr fast geglaubt hätte. Sie schmeichelte sich bei der Person ein, mit der wir uns möglicherweise gegen Jack verbünden konnten.
»Du kleine Schlampe«, zischte Jack. »Ich habe euch das Ding wieder weggenommen.«
Lily zuckte die Achseln.
»Das Mädchen weiß, wie man Sachen findet«, wandte Jack sich an Teague. »Sie hat das Gen. Ihr wirklicher Name ist Pillar Diaz. Die Informationen über sie befinden sich in den Akten, die ich dir verkauft habe.«
»Hast du es gefunden?«, fragte Teague. »Das Infinityglass?«
»Angenommen, ich hätte es gefunden«, überlegte Lily laut. »Dann würde ich Jack nicht sagen, was ich weiß, Ihnen aber schon.«
»Warum?«
»Ich will eine Gegenleistung.« Lily sah Teague in die Augen und sprach laut und deutlich weiter. »Wenn ich Ihnen die Informationen gegeben habe, lassen Sie Kaleb und mich gehen. Und während Sie und ich uns unterhalten, lassen wir Kaleb fünf Minuten mit Jack allein.«
Teague blickte von Lily zu mir, und ein leichtes Lächeln trat auf ihre Lippen. »Abgemacht.«
53. KAPITEL
S obald Teague und Lily sich weggedreht hatten, stürzte ich mich auf Jack.
Er wehrte sich gegen mich, grub die Fingernägel in meinen Arm, trat mir gegen die Schienbeine. Mit meiner gesunden Hand packte ich sein Gesicht und bereitete mich darauf vor, meine Gabe weit zu öffnen. Er durchschaute meine Pläne.
Und öffnete stattdessen eine ganze Welt voller Schmerz.
Alle Ozeane der Welt rauschten in meinen Ohren, als er Erinnerungen auf mich einstürmen ließ. Mom, nachdem sie von Dads Tod gehört hatte, weinend am Boden liegend. Mein Gesicht, als sie mir sagte, was geschehen war. Dad und seine Angst, kurz bevor Jack fünf Jahre seines Lebens auslöschte.
Mir Dads Erinnerungen zu zeigen war Jacks erster Fehler.
Diese fünf Jahre waren noch so frisch, dass ich sie klar und deutlich vor mir sehen konnte. Die mit den Erinnerungen einhergehenden Gefühle zurückzunehmen war so, als würde man den Schaum von einem frischgezapften Bier fegen. Ihm die Liebe zu entreißen brachte Erinnerungen mit sich, alle. Ich hielt sie in meinem Inneren fest, und dann war es,
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