Die Versuchung
um Geld geht, können wir uns ja vielleicht einigen.«
»Und wenn er nicht nur Geld will?« Es fiel LuAnn schwer, weiterzusprechen. »Was ist, wenn er über die Lotterie Bescheid weiß?«
Charlie nahm die Zigarre aus dem Mund und blickte LuAnn starr an.
»Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Aber falls er es doch weiß – auch wenn die Chance eins zu einer Milliarde beträgt –, gibt es viele andere Orte auf der Welt, wo wir leben können, LuAnn. Falls nötig, könnten wir morgen weg sein.«
»Wieder auf der Flucht«, sagte sie. Ihre Stimme verriet eine tiefe Müdigkeit.
»Denk mal an die Alternative. Nicht sehr angenehm, hm?«
Sie nahm ihm die Zigarre aus der Hand, steckte sie sich zwischen die Lippen, nahm einen Zug und stieß langsam den Rauch aus. Dann gab sie ihm die Zigarre zurück.
»Wann soll Pemberton sich wieder bei dir melden?«
»Wir haben keinen Zeitpunkt ausgemacht. Könnte heute abend sein, oder auch nächste Woche.«
»Sag mir Bescheid, wenn du von ihm hörst.«
»Ihr werdet es als erste erfahren, Mylady.«
LuAnn ging zur Tür.
»Oh, bin ich auch zu diesem Lunch morgen eingeladen?« rief Charlie ihr hinterher.
LuAnn blickte über die Schulter. »Ich rechne fest mit dir, Charlie.« Sie lächelte ihn an und ging hinaus.
Charlie stand auf und beobachtete, wie sie anmutig den Flur hinunterging. Dann schloß er die Tür des Arbeitszimmers, setzte sich wieder an den Schreibtisch und paffte nachdenklich an seiner Zigarre.
Riggs hatte Leinenhosen angezogen. Der Kragen seines Hemds mit den angeknöpften Ecken ragte aus dem bunt gemusterten Pullover. Er war mit einem Jeep Cherokee gekommen, den er sich für die Zeit geliehen hatte, die sein Pickup in der Werkstatt stand, wo die Stoßstange repariert wurde. Der Jeep schien ohnehin besser in diese wohlhabende Gegend zu passen als der alte Pickup.
Riggs strich sich das frisch gewaschene Haar glatt, ehe er ausstieg und die Stufen zur Villa hinaufging. In letzter Zeit hatte er keinen besonderen Wert auf schicke Kleidung gelegt, es sei denn, er nahm an einem der seltenen gesellschaftlichen Ereignisse in der Stadt teil. Nach einigem Nachdenken hatte er beschlossen, daß ein Anzug für den heutigen Anlaß zu protzig sei. Er ging ja nur zum Lunch. Und wer weiß? Vielleicht bat die Dame des Hauses ihn, irgendwelche Arbeiten auf dem Grundstück zu erledigen.
Die Haushälterin öffnete Riggs die Tür und führte ihn in die Bibliothek. Er fragte sich, ob man ihn beobachtet hatte, als er auf die kreisförmige Auffahrt gefahren war. Vielleicht wurde auch sie mit Videokameras überwacht, und Catherine Savage und ihr getreuer Charlie saßen in irgendeinem Beobachtungsraum, der vom Boden bis zur Decke mit Monitoren bestückt war.
Riggs blickte sich in dem großen Zimmer um und musterte respektvoll die zahllosen Bücher in den Wandregalen. Er fragte sich, ob sie nur als schmückendes Beiwerk dienten, wie er es schon in vielen Häusern gesehen hatte. Dann erweckten die Fotos auf dem Kaminsims seine Aufmerksamkeit. Er sah mehrere Bilder von Charlie; auf einigen war er mit einem kleinen Mädchen zu sehen, das Catherine Savage sehr ähnelte. Doch es gab kein Foto von Catherine Savage, was Riggs seltsam erschien. Aber die ganze Frau war seltsam – insoweit paßte dies ins Bild.
Er drehte sich um, als die Doppeltür der Bibliothek sich öffnete, und konnte seine Bewunderung nicht verhehlen. Seine erste Begegnung mit dieser Frau, im ausgebauten Heuboden seines Hauses, hatte ihn nicht auf diese zweite vorbereitet.
Das goldene Haar fiel auf die modisch gepolsterten Schultern des schwarzen Kleides, das jede Kontur ihres wohlgeformten schlanken Körpers betonte. Riggs schoß der Gedanke durch den Kopf, daß sie in diesem Kleid ebenso einen Jahrmarkt oder ein Abendessen im Weißen Haus hätte besuchen können. Zu dem Kleid trug sie schwarze flache Schuhe. Als sie mit anmutigen Schritten näherkam, mußte Riggs an eine schlanke, muskulöse Pantherin denken, die auf ihn zuglitt. Sie war eine unbestreitbar schöne Frau, wenn auch nicht makellos schön. Aber wer war schon perfekt? Riggs bemerkte ein weiteres erstaunliches Detail: Um ihre Augen zeichneten sich die ersten feinen Linien ab, doch die Mundpartie war vollkommen faltenlos, als hätte sie nie gelächelt.
Seltsamerweise verstärkte die kleine Narbe an ihrem Kinn ihre Anziehung auf Riggs. Vielleicht, weil dadurch ihre ohnehin rätselhafte Vergangenheit einen Hauch von Gefahr, von Abenteuer
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