Die Versuchung
»Ich nehme an, daß Sie solche Situationen nicht immer auf diese Art und Weise handhaben. Sie brechen ein und schauen nach, was Sie finden. Aber ich weiß gar nicht, warum ich so erstaunt darüber bin. Bei mir haben Sie’s ja auch so gemacht.« Er schaute LuAnn wütend an.
Sie erwiderte den Blick mit dem gleichen Ausdruck. »Ich bin nicht bei Ihnen eingebrochen. Und ich kann mich nicht erinnern, Sie gebeten zu haben, mir zu folgen.«
»Ich bin Charlie gefolgt, nicht Ihnen«, verbesserte er sie. »Aber es war ein verdammter Glücksfall, daß ich schon wieder zur Stelle war, oder nicht? Zweimal in zwei Tagen. Bei diesem Tempo verlieren Sie Ihre neun Leben binnen einer Woche.« LuAnn ging schweigend weiter, die Arme vor der Brust verschränkt. Ihre Blicke waren starr nach vorn gerichtet.
Als Riggs stehenblieb, verharrte auch LuAnn und blickte kurz zu Boden. Als sie wieder aufschaute, war der Ausdruck in ihren Augen viel weicher. »Nochmals danke. Aber je mehr Entfernung Sie zwischen sich und uns drei bringen, desto besser für Sie. Das garantiere ich Ihnen. Und den Zaun können Sie vergessen. Ich glaube nicht, daß wir hier bleiben. Keine Bange, ich bezahle ihn trotzdem.« Sie schaute Riggs noch einen Moment fest an und bemühte sich, plötzlich aufkeimende Gefühle zu ignorieren – Gefühle, die ihr seit so langer Zeit fremd waren, daß sie ihr jetzt Angst einjagten. »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Matthew.« Sie drehte sich um und ging zum Haus.
»Catherine?«
Sie ging weiter.
»Catherine«, sagte er noch einmal.
Zögernd blieb sie stehen.
»Bitte, sagen Sie mir, was los ist. Vielleicht kann ich Ihnen helfen.«
»Das glaube ich nicht.«
»Das wissen Sie doch gar nicht.«
»Glauben Sie mir, ich weiß es.«
Sie wollte weitergehen.
Riggs blieb stehen und schaute ihr nach. »He! Falls Sie es vergessen haben, ich habe kein Auto, um nach Hause zu fahren.«
Als LuAnn sich umdrehte, segelten die Schlüssel bereits durch die Luft. Riggs fing sie mit der rechten Hand auf.
»Nehmen Sie meinen Wagen. Er ist vor dem Haus geparkt. Behalten Sie ihn, solange Sie wollen. Ich habe noch einen anderen.«
Damit ging sie weiter und verschwand im Haus.
Langsam steckte Riggs die Schlüssel in die Tasche und schüttelte den Kopf, ratlos und verwirrt.
KAPITEL 33
»Wo bist du gewesen, zum Teufel?« Charlie kam aus seinem Arbeitszimmer und lehnte sich an den Türrahmen. Sein Gesicht war immer noch blaß, was LuAnn sofort auffiel.
»Genau da, wo du auch gewesen bist«, erwiderte sie.
»Was? LuAnn, ich hab’ dir doch gesagt …«
»Du warst nicht allein. Riggs ist dir gefolgt. Und ob du’s glaubst oder nicht, er hat mich schon wieder gerettet. Tut er das noch einmal, muß ich mir womöglich überlegen, ob ich den Mann heirate.«
Charlie wurde noch eine Nuance blasser. »Ist er ins Haus gegangen?«
»Nein, aber ich.«
»Und was hast du gesehen?« fragte Charlie nervös.
LuAnn ging schnell an ihm vorbei ins Arbeitszimmer. »Ich will nicht, daß Lisa uns hört.«
Charlie schloß die Tür hinter ihnen. Er ging schnurstracks zur Bar und goß sich einen Drink ein. LuAnn beobachtete stumm seine Bewegungen, ehe sie sprach.
»Offenbar hast du noch mehr gesehen als ich.«
Er drehte sich um und kippte den Drink mit einem Zug hinunter. »Die Zeitungsausschnitte über die Lotterie? Über die Morde?«
LuAnn nickte. »Die habe ich gesehen. Nach meiner ersten Begegnung mit dem Mann war ich nicht besonders erstaunt darüber.«
»Ich auch nicht.«
»Aber offenbar war da noch mehr.« Sie blickte Charlie auffordernd an, setzte sich, faltete die Hände im Schoß und bemühte sich, ihre Nerven unter Kontrolle zu halten, so gut es ging.
Auf Charlies Gesicht lag ein Hauch von Panik, als wäre er aus einem Alptraum erwacht und hätte versucht, diesen Traum mit einem Lachen abzuschütteln – um dann festzustellen, daß er gar nicht geträumt hatte. »Ich habe ein paar Namen gesehen. Um genau zu sein, eine Liste mit Namen. Deiner stand auch darauf.« Er machte eine Pause und stellte das Glas ab. Seine Hände zitterten. LuAnn wappnete sich. »Herman Rudy, Wanda Tripp, Randy Stith – und einige andere. Ich habe sie alle in New York betreut.«
Langsam legte LuAnn den Kopf in die Hände.
Charlie setzte sich neben sie, legte eine fleischige Hand auf ihren Nacken und massierte ihn bedächtig.
LuAnn setzte sich auf und sank an seine Brust. Schmerzvolle Müdigkeit schwang in ihren Worten mit. »Wir müssen fort, Charlie. Wir müssen
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