Die Versuchung
packen und verschwinden. Heute abend.«
Er überdachte ihren Vorschlag, ehe er sich mit der Hand über die Stirn rieb. »Ich hab’s mir schon durch den Kopf gehen lassen. Wir könnten weglaufen, wie bisher. Aber jetzt gibt es einen Unterschied.«
LuAnn wußte sofort, worauf er anspielte. »Der Mann weiß von dem Lotteriebetrug und er weiß, daß LuAnn Tyler und Catherine Savage ein und dieselbe Person sind. Unsere Tarnung ist geplatzt.«
Charlie nickte mit düsterer Miene. »Wir hatten es noch nie mit beiden Problemen gleichzeitig zu tun. Dadurch wird das Untertauchen verdammt knifflig.«
Plötzlich stand LuAnn auf und begann mit ihrem Ritual, geschmeidig und mit fließenden Bewegungen im Kreis durchs Zimmer zu gehen. »Was will er eigentlich, Charlie?«
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht.« Er ging mit dem leeren Glas zur Bar, zögerte und entschied sich gegen einen zweiten Drink. »Du hast die Einrichtung von diesem Burschen gesehen. Welchen Eindruck hattest du?«
LuAnn blieb stehen und lehnte sich an den Kamin. In Gedanken ging sie jede Einzelheit des Hauses durch.
»Den Wagen hatte er unter falschem Namen gemietet. Also will er nicht, daß man seine wahre Identität zurückverfolgen kann. Ich kannte den Mann nicht, aber es muß einen anderen Grund geben, daß er inkognito arbeitet.«
»Stimmt.« Charlie studierte sie. In Laufe der Jahre hatte er die Erfahrung gemacht, daß LuAnn so gut wie nichts entging und daß ihre Instinkte erstklassig waren.
»Er hat versucht, mir Angst einzujagen. Das ist ihm gelungen. Ich betrachte das als Warnung, als eine Botschaft, daß er ein Spieler ist und uns wissen lassen will, daß er uns wieder besuchen wird.«
»Weiter«, ermutigte er sie.
»Das Haus, von dem ich allerdings nur wenig gesehen habe, war wie ein Büro eingerichtet. Sehr sauber, sehr ordentlich. Computer, Fax, Drucker, Aktenordner. Als würde er an irgendeinem Forschungsprojekt arbeiten.«
»Er müßte schon sehr eingehend forschen, um herauszufinden, daß die Lotterie getürkt war. Jackson ist kein Schwachkopf.«
»Wie hat der Mann das geschafft, Charlie? Was meinst du?«
Er rieb sich das Kinn und setzte sich an den Schreibtisch. »Na ja, wir können nicht absolut sicher sein, daß er alles aufgedeckt hat. Ich habe nur die Liste gesehen, mehr nicht.«
»Mit den Namen der Lotteriegewinner? Ach, komm, Charlie. Wie lange hat Jackson dieses Spielchen eigentlich getrieben?«
Charlie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Ich hatte damals neun Gewinner betreut, darunter auch dich. Im August hatte ich angefangen. Du warst Miss April – mein letzter Auftrag.«
LuAnn schüttelte verstockt den Kopf. »Der Mann weiß Bescheid, Charlie. Wir müssen jedenfalls davon ausgehen. Wie immer er’s geschafft hat – er hat es geschafft.«
»Okay. Damit wäre ziemlich klar, daß der Kerl Geld will.«
Wieder schüttelte LuAnn den Kopf. »Das wissen wir nicht. Ich meine, warum sollte er hier ein Büro einrichten und all die Geräte mitbringen? Das wäre doch nicht nötig. Er könnte mir einfach einen Brief mit denselben Informationen von Gott-weiß-woher schicken und verlangen, daß wir das Geld telegrafisch auf sein Bankkonto überweisen.«
Charlie lehnte sich zurück. Auf seinem Gesicht zeichnete sich völlige Verwirrung ab. In diesem Licht hatte er die Angelegenheit noch gar nicht betrachtet. »Da hast du recht.«
»Und ich glaube nicht, daß der Mann Geld bitter nötig hat. Er hat teure Sachen getragen. Er fährt zwei Leihwagen. Und die Miete für das Haus dürfte auch ziemlich happig sein. Und denk vor allem an die ganze technische Ausrüstung. Der Kerl holt sein Essen nicht aus Mülleimern.«
»Stimmt. Aber falls er nicht schon Millionär ist, könnte er’s mit deiner Hilfe werden«, sagte Charlie.
»Aber er hat kein Geld verlangt! Warum nicht? Wenn ich doch nur den Grund dafür wüßte!« Plötzlich kam ihr ein Gedanke, und sie schaute Charlie an. »Was hatte Pemberton noch mal gesagt? Für wie lange hat der Mann das Haus gemietet?«
»Ungefähr einen Monat.«
»Dann ist es noch unwahrscheinlicher, daß er uns erpressen will. Denn warum sollte er warten? Noch dazu so lange? Warum sollte er sich zeigen und mich dadurch warnen, daß er alles weiß? Wie kann er sicher sein, daß ich nicht mitten in der Nacht verschwinde? Denn falls ich mich absetze, sieht der Bursche keinen Cent.«
Charlie seufzte tief. »Und was sollen wir jetzt tun?«
»Warten«, antwortete LuAnn. »Aber wir treffen
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