Die Versuchung
Voraussetzungen. Jetzt würde es dir niemals gelingen, das Land zu verlassen. Wenn man dem FBI nicht entfliehen kann, muß man genau das Gegenteil tun und sich direkt in die Höhle des Löwen begeben. Du mußt die Offensive ergreifen.«
LuAnn konzentrierte sich auf den Verkehr, dachte dabei jedoch eingehend darüber nach, was sie zu tun gedachten. Vor allem, was sie selbst tun würde. Charlie war der einzige Mann, dem sie bisher vertraut hatte. Doch dieses vollkommene Vertrauen hatte nicht von vornherein bestanden, sondern war gewachsen und hatte sich im Laufe von zehn Jahren gefestigt. Riggs dagegen kannte LuAnn erst kurze Zeit. Trotzdem hatte er sich binnen weniger Tage ihr Vertrauen erworben. Und was er tat, berührte LuAnn viel tiefer als alle verführerischen Worte.
»Bist du nicht nervös?« fragte sie. »Ich meine, du weißt doch gar nicht genau, auf was du dich einläßt.«
Er grinste sie an. »Das ist ja das Spannende.«
»Du bist verrückt, Matthew Riggs, vollkommen verrückt. Alles, was ich vom Leben will, ist ein bißchen Ruhe und Normalität. Dir aber läuft das Wasser im Mund zusammen, weil du am Rand des Abgrunds wandeln kannst.«
»Das kommt immer darauf an, wie man es betrachtet.« Er schaute aus dem Fenster. »Wir sind da.« Er deutete auf einen Parkplatz am Straßenrand. LuAnn hielt, und Riggs stieg aus, steckte aber noch einmal den Kopf ins Wageninnere. »Alles klar?«
LuAnn nickte. »Wir sind ja gestern abend den Plan noch einmal durchgegangen. Ich weiß, was ich machen muß.«
»Gut, bis bald.«
Als Riggs über die Straße zum öffentlichen Telefon ging, betrachtete LuAnn das große, häßliche Gebäude. J. EDGAR HOOVER BUILDING stand auf der Fassade. Die FBI -Zentrale. Die Leute, die hier arbeiteten, suchten fieberhaft nach ihr, überall, rund um die Uhr – und sie parkte hier, drei Meter vor dem Hauptquartier.
LuAnn schauderte und setzte die Sonnenbrille auf. Sie legte den Gang ein und bemühte sich, ihre Nerven unter Kontrolle zu behalten. Sie hoffte inständig, daß Riggs auch wirklich wußte, was er tat.
Riggs telefonierte. Der Mann am anderen Ende war verständlicherweise aufgeregt. Binnen weniger Minuten war Riggs im Hoover Building und wurde von einem bewaffneten Sicherheitsmann an sein Ziel geleitet.
Der Konferenzraum, in dem man Riggs warten ließ, war sehr groß, aber spärlich möbliert. Er ging an den Stühlen vorüber, die um den kleinen Tisch standen, und wartete im Stehen. Er holte tief Luft. Beinahe hätte er gelächelt. In gewisser Weise war er heimgekehrt. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen, suchte nach versteckten Überwachungskameras, sah aber keine, was darauf hindeutete, daß der Raum sowohl per Video als auch über eine Abhöranlage überwacht wurde.
Als die Tür geöffnet wurde, drehte Riggs sich rasch um. Zwei Männer traten ein. Sie trugen weiße Hemden und fast identische Krawatten.
George Masters streckte Riggs die Hand entgegen. Er war groß und schlank und fast kahlköpfig. Lou Berman trug einen Bürstenhaarschnitt und hatte demonstrativ eine finstere Miene aufgesetzt.
»Ist lange her, Dan.«
Riggs schüttelte die dargebotene Hand. »Ich heiße jetzt Matt. Dan ist tot. Erinnern Sie sich, George?«
George Masters räusperte sich und blickte nervös umher. Dann bedeutete er Riggs, an dem schäbigen Tisch Platz zu nehmen. Als alle saßen, wies George Masters mit einem Kopfnicken auf seinen Kollegen. »Lou Berman. Er leitet die Untersuchung, über die wir am Telefon gesprochen haben.« Berman nickte Riggs kurz zu.
Masters schaute Berman an. »Dan …« Masters verbesserte sich: »Matt war einer der besten verdeckten Ermittler, die wir je hatten.«
»Ich habe für die Gerechtigkeit einiges geopfert, stimmt’s, George?« Riggs betrachtete Masters, ohne irgendeine Regung zu zeigen.
»Möchten Sie eine Zigarette?« fragte Masters. »Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie geraucht.«
»Ich hab’s aufgegeben. Zu gefährlich.« Riggs schaute Berman an. »Der gute George wird Ihnen erklären, daß ich eine Halbzeit zu lange auf dem Spielfeld verbracht habe. Stimmt’s, George? Allerdings nicht ganz freiwillig.«
»Das ist schon ewig her.«
»Seltsam. Mir kommt es wie gestern vor.«
»Das liegt an der Umgebung, Matt.«
»Das sagt sich leicht, wenn man nicht miterleben mußte, wie die eigene Frau erschossen wird, weil der Gemahl seinem Scheißjob nachgeht. Wie geht’s übrigens Ihrer Frau, George? Sie haben drei Kinder, nicht wahr? Es
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