Die Versuchung
Fluges ließ Jackson sich von dem Informanten Bericht erstatten, der Charlie und Lisa beschattete. Sie hatten eine Rast eingelegt. Charlie hatte telefoniert. Zweifellos mit LuAnn. Dann waren sie weitergefahren und würden nun bald wieder den Süden Virginias erreichen. Alles klappte wie am Schnürchen.
Eine Stunde später saß Jackson in einem Taxi und ließ sich durch das Verkehrsgewühl Manhattans zu seiner Wohnung bringen.
Horace Parker blickte sich neugierig um. Er war seit mehr als fünfzig Jahren Pförtner in einem Gebäude, in dem die Durchschnittswohnungen dreihundertfünfzig Quadratmeter groß waren und fünf Millionen Dollar kosteten. Das Penthouse war dreimal so groß und kam auf zwanzig Millionen. Doch so etwas wie heute hatte Horace Parker nie zuvor erlebt. Er beobachtete, wie die kleine Armee der FBI -Männer in Windjacken durch die Eingangshalle fegte und den Privataufzug benützte, der nur zum Penthouse führte. Alle sahen tödlich entschlossen aus und waren schwer bewaffnet.
Parker verließ das Gebäude und blickte die Straße hinauf und hinunter. Ein Taxi hielt. Ein Mann stieg aus, und Parker ging sofort zu ihm. Der Pförtner hatte ihn schon als kleinen Jungen gekannt. Vor vielen Jahren hatte er mit diesem Mann und dessen jüngerem Bruder Roger Centstücke in den Springbrunnen in der Eingangshalle geschnippt. Um sich ein bißchen dazu zu verdienen, hatte er bei den Jungen den Babysitter gespielt und war mit ihnen an Wochenenden in den Central Park gegangen. Parker hatte ihnen die ersten Biere gekauft, kaum daß sie in der Pubertät waren. Er hatte miterlebt, wie die Jungen erwachsen wurden und das elterliche Nest verließen. Dann hatten die Cranes irgendein geschäftliches Unglück erlebt, soweit Parker wußte, und waren aus New York weggezogen. Doch Peter Crane war heimgekehrt und hatte das Penthouse gekauft. Offensichtlich hatte er es zu etwas gebracht.
»Guten Abend, Horace«, sagte Jackson leutselig.
»Guten Abend, Mr. Crane.« Parker tippte an seine Mütze.
Jackson wollte an ihm vorbei.
»Mr. Crane, Sir?«
Jackson drehte sich um. »Was ist denn? Ich habe es eilig, Horace.«
Parker schaute nach oben. »Vorhin sind Männer ins Gebäude gekommen, Mr. Crane. Sie sind direkt in Ihre Wohnung gefahren. Ein ganzer Haufen. FBI . Schwer bewaffnet. So was habe ich noch nie gesehen. Die sind immer noch oben. Ich glaube, die warten, daß Sie nach Hause kommen, Sir.«
»Vielen Dank für diese Information, Horace«, sagte Jackson vollkommen ruhig. »Ein Mißverständnis, weiter nichts.«
Jackson streckte die Hand aus. Parker ergriff sie. Dann machte Jackson kehrt, verließ das Gebäude und verschwand die Straße hinunter. Als Parker die Hand öffnete, befand sich ein Bündel Hundertdollarscheine darin. Er schaute sich vorsichtshalber um, ehe er das Geld diskret in die Tasche steckte und wieder seinen Posten an der Tür bezog.
Aus den Schatten einer Seitenstraße blickte Jackson zu seiner Wohnung hinauf, zu seinem Penthouse. Er sah die Silhouetten langsam an den hell erleuchteten Fenstern vorübergehen. Seine Lippen bebten vor Zorn angesichts dieses unverschämten Eindringens in seine Privatsphäre. An die Möglichkeit, das FBI könne ihm bis in seine Wohnung folgen, hatte er nie gedacht. Wie, zum Teufel, konnte das passieren?
Doch jetzt war nicht die Zeit, sich Gedanken darüber zu machen. Jackson ging zur nächsten Kreuzung und telefonierte. Zwanzig Minuten später holte eine Limousine ihn ab. Er rief seinen Bruder an und befahl ihm, sofort die Wohnung zu verlassen, ohne irgend etwas zu packen, und ihn vor dem St. James Theater zu treffen. Jackson war nicht sicher, wie die Polizei seine Identität festgestellt hatte, aber er konnte nicht ausschließen, daß die Bullen jede Minute vor Rogers Wohnung auftauchten.
Er hielt kurz bei einer anderen Wohnung, die er unter falschem Namen gemietet hatte, um die notwendigen Utensilien zu holen. Eine seiner zahllosen Firmen besaß in La Guardia einen Privatjet samt vollständiger Besatzung. Jackson rief dort an, damit der diensthabende Pilot so schnell wie möglich den Flugplan erstellen konnte. Jackson hatte nicht die Absicht, in der Wartehalle Däumchen zu drehen. Die Limousine würde ihn und Roger direkt zum Flugzeug bringen.
Kurz darauf holte Jackson seinen Bruder vor dem Theater ab.
Roger war zwei Jahre jünger als sein älterer Bruder und schlank, aber ebenso drahtig. Er hatte das gleiche dichte, dunkle Haar und ebenso feine Gesichtszüge. Roger
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