Die Versuchung
Motel am Stadtrand von Danville, Virginia. Aber ich muß sie noch mal anrufen und ihnen sagen, wann wir dort eintreffen.« Sie blickte ihn an. »Wo, zum Teufel, sind wir hier eigentlich?«
»In Edgewood, Maryland, nördlich von Baltimore. Danville liegt gut hundert Meilen südlich von Charlottesville. Das heißt, wir brauchen bis Danville fünf, sechs Stunden.«
»Okay, wenn wir sofort losfahren …«
»LuAnn, es ist nach Mitternacht. Die beiden sind bestimmt im Bett.«
»Na und?«
»Na und? Wir könnten ein bißchen schlafen. Wir haben’s dringend nötig. Dann stehen wir früh auf und treffen die beiden morgen um die Mittagszeit.«
»Ich will nicht warten. Ich will Lisa bei mir haben. In Sicherheit.«
»LuAnn, wir sind völlig übermüdet. Selbst wenn wir sofort aufbrechen, sind wir nicht vor fünf oder sechs Uhr morgen früh am Ziel. Und bis dahin wird sowieso nichts passieren. Komm schon, sei vernünftig. Ich finde, wir hatten genug Aufregung für einen Tag. Und wenn Lisa jetzt hört, daß du kommst, macht sie bestimmt kein Auge zu.«
»Das ist mir egal. Von mir aus kann sie müde sein, solange sie nur sicher ist.«
Riggs schüttelte langsam den Kopf. »LuAnn, es gibt noch einen Grund, daß wir uns nicht sofort mit den beiden treffen sollten. Und der hat mit Lisas Sicherheit zu tun.«
»Was redest du da?«
Riggs schob die Hände in die Taschen und lehnte sich an die Wand. »Jackson ist irgendwo da draußen. Das wissen wir. Als wir ihn das letzte Mal gesehen haben, ist er in den Wald getürmt. Es ist gut möglich, daß er zurückgekommen und uns gefolgt ist.«
»Aber was ist mit Donovan und Bobbie Jo Reynolds und Alicia Crane? Er hat sie ermordet.«
»Wir nehmen an, daß er sie ermordet hat. Vielleicht hat er aber auch jemand geschickt, um sie zu töten. Oder er hat sie tatsächlich selbst getötet und jemandem den Auftrag erteilt, uns zu beschatten. Der Mann hat unvorstellbar viel Geld. Der kann sich fast alles kaufen.«
LuAnn dachte an Anthony Romanello. Jackson hatte ihn gekauft, um sie, LuAnn, zu töten. »Dann könnte Jackson von deiner Besprechung beim FBI wissen? Und vielleicht sogar, wo wir im Augenblick sind?«
Riggs nickte. »Und wenn wir jetzt losfahren, um Lisa zu treffen, führen wir ihn direkt zu ihr.«
LuAnn sank aufs Bett. »Das dürfen wir nicht, Matthew«, sagte sie niedergeschlagen.
Er rieb ihre Schultern. »Ich weiß.«
»Aber ich möchte mein kleines Mädchen sehen. Geht das wirklich nicht?«
Riggs dachte lange darüber nach. Dann setzte er sich neben LuAnn aufs Bett und nahm ihre Hände in die seinen. »Wir bleiben heute nacht hier. LuAnn. Nachts kann jemand uns viel leichter unbemerkt folgen. Morgen brechen wir in aller Frühe auf und fahren Richtung Danville. Ich halte die Augen offen, ob jemand sich verdächtig verhält. Davon verstehe ich was. Schließlich war ich verdeckter Ermittler. Wir fahren auf Nebenstraßen, halten oft an und nehmen nur ab und zu die Interstate. Dadurch machen wir eine Verfolgung unmöglich. Wir treffen Charlie und Lisa im Motel. Dann bringt Charlie die Kleine direkt zum örtlichen FBI -Büro in Charlottesville. Wir folgen den beiden in unserem Wagen, gehen aber nicht hinein. Ich will nicht, daß die FBI -Leute dich jetzt schon in die Finger kriegen. Aber nachdem wir mit dem FBI ein Abkommen getroffen haben, können wir auch seinen Schutz in Anspruch nehmen. Wie hört sich das an?«
LuAnn lächelte. »Dann sehe ich Lisa morgen?«
Er umfaßte ihr Kinn mit einer Hand. »Ja, morgen.«
LuAnn rief noch einmal Charlie an und nannte ihm dreizehn Uhr als Ankunftszeit im Motel in Danville. Wenn sie mit Charlie, Riggs und ihrer Tochter zusammen war, konnte Jackson ruhig versuchen, ihnen etwas anzutun. Dann würde er vielleicht sein blaues Wunder erleben.
Sie gingen ins Bett. Riggs legte den gesunden Arm um LuAnns schlanke Taille und kuschelte sich dicht an sie. Seine Neunmillimeter steckte unter dem Kopfkissen, und ein Stuhl war unter dem Türknopf eingeklemmt. Riggs hatte eine Glühbirne herausgeschraubt und zerbrochen und die Scherben vor der Tür verstreut. Obwohl er nicht damit rechnete, daß etwas passierte, wollte er möglichst früh gewarnt werden, falls doch was geschah.
Als er neben LuAnn lag, war er zuversichtlich und besorgt zugleich, was LuAnn offenbar spürte. Sie drehte sich zu ihm und streichelte ihm liebevoll das Gesicht.
»Machst du dir Sorgen?«
»Es ist die Erwartung, nehme ich an. Als ich beim FBI war, ist es mir immer schwer
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