Die Versuchung
Als ihre Blicke voller Panik durchs Zimmer huschten, sah sie, daß Duanes Hemd vorn mit Blut bespritzt war. Entsetzt und hilflos mußte sie mit ansehen, wie er von der Couch fiel. Er stöhnte leise, dann bewegte er sich nicht mehr.
Die Hand drückte LuAnn den Kopf so gewaltsam nach hinten, daß sie Angst hatte, ihr Genick würde brechen. Gierig schnappte sie nach Luft. Dann sah sie die Messerklinge in der anderen Hand des Fremden.
»Tut mir leid, Lady. Falsche Zeit, falscher Ort.« LuAnn kannte die Stimme nicht. Der Atem des Mannes roch nach billigem Bier und stark gewürzten Hühnerflügeln. Der Geruch drängte sich so dicht an ihre Wange, wie die Hand sich an ihre Kehle preßte. Doch der Mann hatte einen Fehler begangen. Da er mit einer Hand LuAnns Kopf nach hinten drückte und in der anderen das Messer hielt, hatte er ihre Arme losgelassen. Vielleicht glaubte er, sie würde vor Angst wie gelähmt sein. Doch weit gefehlt. LuAnn trat kräftig nach hinten gegen das Knie des Mannes und rammte ihm gleichzeitig den spitzen Ellbogen in die Magengrube.
Nach diesem Schlag zuckte der Mann zurück, wobei er LuAnn mit dem Messer am Kinn streifte. Sie schmeckte Blut. Der Mann sank spuckend und fluchend zu Boden. Das Jagdmesser fiel neben ihm auf den Teppich. LuAnn wollte zur Vordertür laufen, doch der Angreifer erwischte sie am Knöchel, so daß sie dicht vor ihm ebenfalls zu Boden stürzte.
Obwohl der Mann sich vor Schmerzen krümmte, hielt er LuAnns Knöchel fest und zerrte sie zurück. LuAnn wehrte sich, trat wild um sich. Dabei kam sie auf dem Rücken zu liegen und sah zum erstenmal den Angreifer. Sonnengebräuntes Gesicht, dick, buschige Brauen, schwitzend, dichtes schwarzes Haar und volle Lippen, die jetzt vor Schmerzen verzerrt waren. Die Augen des Mannes konnte LuAnn nicht sehen, da er die Lider halb geschlossen hatte.
Binnen eines Augenblicks hatte sie alle diese Merkmale in sich aufgenommen. Noch offensichtlicher war jedoch, daß der Kerl ein Hüne war, doppelt so schwer wie sie. Sie hatte keine Chance, den eisernen Griff um ihren Knöchel zu sprengen. Wenn der Mann sie hatte töten wollen, ehe sie ihn zu Boden gebracht hatte, würde er es jetzt zweifellos noch einmal versuchen – und dann auf noch schmerzhaftere Art und Weise.
Doch LuAnn war nicht gewillt, ihm Lisa zu überlassen. Nicht ohne noch erbitterter zu kämpfen als bisher.
Statt sich weiter zu wehren, warf sie sich laut schreiend auf den Mann. Ihr plötzlicher Sprung und der Schrei überraschten ihn dermaßen, daß er ihren Fuß losließ. Jetzt konnte sie seine Augen sehen. Sie waren dunkelbraun wie alte Centstücke. In der nächsten Sekunde waren die Lider wieder geschlossen. LuAnn stieß die Zeigefinger vor, in beide Augen des Mannes. Vor Schmerzen heulend fiel er nach hinten gegen die Wand. Dann aber stieß er sich wie ein Gummiball ab und prallte blindlings gegen sie. Beide fielen auf die Couch.
Noch im Fallen hatte LuAnn den erstbesten Gegenstand gepackt, den sie zu greifen bekam. Sie sah nicht genau, was es war, doch es handelte sich um irgend etwas Schweres und Hartes. Das genügte ihr. Sie holte aus und schmetterte dem Mann den Gegenstand mit aller Kraft an den Schädel. Dann stürzte sie zu Boden, dicht neben Duane, rutschte weiter und prallte mit dem Kopf gegen die Wand.
Das Telefon war in Stücke zersplittert, als LuAnn es dem Angreifer an den Schädel geschmettert hatte. Nun lag der Mann auf dem Teppich, offenbar bewußtlos. Das schwarze Haar färbte sich rot, als Blut aus der Kopfwunde strömte. LuAnn lag einen Moment regungslos da; dann setzte sie sich auf. Schmerzen durchrasten ihren Arm. Sie hatte sich beim Sturz am Couchtisch gestoßen. Auch das Gesäß tat ihr weh, da sie ziemlich hart aufgeprallt war. Der Kopf schmerzte an der Stelle, wo sie gegen die Wand geprallt war.
»Verdammt«, sagte sie und bemühte sich, das Gleichgewicht wieder zu erlangen. Mach, daß du wegkommst, drängte sie sich selbst. Nimm Lisa und lauf, solange deine Beine dich tragen, solange deine Lungen durchhalten.
Plötzlich wurde ihr schwindlig. Ihre Augäpfel rollten nach oben. »O Gott«, stöhnte sie, als sie die nahende Ohnmacht spürte. Ihr Mund öffnete sich; dann sank sie bewußtlos zu Boden.
KAPITEL 8
LuAnn hatte keine Ahnung, wie lange sie ohnmächtig gewesen war. Das Blut, das aus der Wunde am Kinn geflossen war, war noch nicht getrocknet, also konnte die Ohnmacht nicht allzu lange gedauert haben. Ihre Bluse war zerrissen und blutig. Eine
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