Die Versuchung
Öffnen einer Rolltür. Anschließend fuhr die Limousine wieder ein Stück und hielt erneut.
»So, dann setzen Sie sich mal neben mich, LuAnn. Schließen Sie vorher die Augen, und geben Sie mir Ihre Hand«, sagte Jackson und streckte ihr die Hand entgegen.
»Warum soll ich die Augen zumachen?«
»Haben Sie Nachsicht mit mir, LuAnn. Ich kann einem kleinen Schauspiel nicht widerstehen, zumal die Gelegenheiten dazu so selten sind. Was ich jetzt tun werde, ist unbedingt notwendig, damit Sie der Polizei entkommen und ein neues Leben anfangen können. Das versichere ich Ihnen.«
LuAnn wollte ihm weitere Fragen stellen, hielt es dann aber für besser, den Mund zu halten. Sie nahm Jacksons Hand und schloß die Augen.
Jackson zog sie auf der Rückbank behutsam zu sich herüber. Sie spürte die Wärme einer Lichtquelle auf dem Gesicht. Dann zuckte sie zusammen, als Jackson ihr mit einer Schere die Haare zu schneiden begann. Sein Atem war ganz dicht neben ihrem Ohr. »Ich rate Ihnen, still zu halten. Es ist schwierig genug, dies alles auf so engem Raum, in so kurzer Zeit und mit so behelfsmäßigem Zubehör zu erledigen. Ich möchte Ihnen keine ernsthafte Verletzung zufügen, wo Sie doch gerade an der Schwelle zu einem neuen Leben stehen.«
Jackson schnitt weiter, bis LuAnns Haar nur noch knapp bis zu den Ohren reichte. Hin und wieder stopfte er die abgeschnittenen Strähnen in einen großen Müllbeutel. Dann massierte er eine feuchte Substanz in ihr Haar, worauf es so steif und fast so hart wie Beton wurde. Mit einer Rundbürste brachte Jackson die Strähnen in die gewünschte Form.
Als nächstes klemmte er einen tragbaren Spiegel – von Spezialglühbirnen, die nicht heiß wurden, umrahmt – an der Mittelkonsole fest. Nomalerweise hätte er für die Nasenplastik, die er nun vornehmen wollte, zwei Spiegel benutzt, um ständig das Profil zu überprüfen. Aber diesen Luxus konnte er sich in einer Limousine, die in einer Tiefgarage in Manhattan stand, nicht leisten. Er öffnete den Schminkkoffer. In den zehn Fächern lagen Schminkutensilien und eine Vielzahl von Geräten, um die Kosmetika aufzutragen.
Dann machte Jackson sich ans Werk. LuAnn spürte, wie seine Finger geschickt über ihr Gesicht huschten. Er verdeckte ihre Brauen mit Kryolan-Augenbrauen-Plastik, strich mit einem Abdeckstift darüber und legte zum Schluß Puder auf. Dann schuf er mit einer kleinen Bürste völlig neue Brauen. Mit Alkohol reinigte er gründlich die untere Gesichtspartie. Er strich eine hauchfeine Schicht flüssiges Gummi auf die Nase und ließ es trocknen. In der Zwischenzeit rieb er sich die Hände mit Gleitcreme ein, damit der Gummi nicht daran kleben blieb. Dann wärmte er die Plastikmasse in der Hand und formte geschickt eine neue Nase. »Ihre Nase ist lang und gerade, LuAnn, beinahe klassisch. Aber mit ein bißchen Plastik, ein wenig Aufheller und dunklen Abtönungen – voilà – haben wir einen dicken Zinken, der längst nicht so hübsch ist. Aber es ist ja nur vorübergehend. Schließlich sind wir alle vergänglich.«
Er kicherte leise über diese philosophische Bemerkung, während er die Plastikmasse mit einem schwarzen Schwämmchen betupfte und hautfarbene Schminke auftrug. Dann gab er etwas Rouge auf die Nasenflügel, um sie natürlicher erscheinen zu lassen. Mit Hilfe von Lidschatten und Aufhellern schminkte er LuAnns Augen so, daß sie näher zusammen zu stehen schienen. Durch Cremes und Puder ließ er ihre Kinnpartie weniger hervortreten. Das geschickt verteilte Rouge auf den Wangenknochen ließ diese flacher aussehen, so daß sie nicht mehr LuAnns Gesicht beherrschten.
Sie spürte, wie er behutsam die Wunde am Kinn untersuchte. »Schlimmer Schnitt. Souvenir von Ihrem Wohnwagenabenteuer?« Als LuAnn nicht antwortete, sagte er: »Ihnen ist doch klar, daß der Schnitt genäht werden muß? Selbst dann ist die Wunde so tief, daß eine Narbe zurückbleiben wird. Aber keine Angst. Wenn ich fertig bin, wird sie unsichtbar sein. Aber irgendwann sollten Sie eine Schönheitsoperation in Betracht ziehen.« Wieder kicherte er und fügte hinzu: »Nach meiner fachmännischen Meinung.«
Als nächstes schminkte Jackson sorgfältig LuAnns Lippen. »Ein bißchen schmaler als das klassische Ideal, fürchte ich, LuAnn. Vielleicht sollten Sie mal eine Behandlung mit Kollagen in Erwägung ziehen.«
Am liebsten wäre LuAnn aufgesprungen und schreiend davongerannt. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie nach Jacksons Behandlung aussah. Es
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