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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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war, als würde ein wahnsinniger Gelehrter sie von den Toten zurückholen.
    »So. Jetzt werde ich noch Sommersprossen auftragen, auf Stirn, Nase und Wangen«, sagte Jackson. »Wenn ich Zeit hätte, würde ich auch noch Ihre Hände behandeln, aber dazu reicht es leider nicht mehr. Aber es würde sowieso niemand bemerken. Die meisten Leute sind sehr schlechte Beobachter.« Er schlug den Kragen ihrer Bluse auseinander, trug Grundierungsmittel auf und betupfte LuAnns Hals. Dann knöpfte er ihre Bluse wieder zu, packte seinen Schminkkoffer zusammen und schob LuAnn behutsam auf die andere Seite der Rückbank.
    »In dem Fach neben Ihnen ist ein Handspiegel. Machen Sie die Augen auf, und schauen Sie hinein«, sagte Jackson.
    Langsam nahm LuAnn den Spiegel heraus und hielt ihn sich vors Gesicht. Entsetzt stieß sie den Atem aus. Aus dem Spiegel blickte ihr eine rothaarige Frau mit kurzem, borstigem Haar und sommersprossiger Haut entgegen, die fast so weiß war wie die eines Albinos. Ihre Augen waren kleiner und standen näher zusammen, die Konturen von Kinn und Kieferpartie waren weniger ausgeprägt, die Wangen flach und oval. Ihre Lippen waren tiefrot, so daß ihr Mund riesig aussah. Ihre Nase war viel breiter und erkennbar nach rechts gekrümmt. Ihre von Natur aus dunklen Brauen besaßen einen viel helleren Farbton. LuAnn hätte sich beim besten Willen selbst nicht wiedererkannt.
    Jackson warf ihr irgend etwas in den Schoß. LuAnn senkte den Blick. Es war ein Paß. Sie schlug ihn auf. Das Foto, das sie sah, war ein Bild der rothaarigen Frau, die sie soeben aus dem Spiegel angestarrt hatte.
    »Eine wundervolle Arbeit, finden Sie nicht auch?« sagte Jackson.
    Als LuAnn den Blick hob, drückte Jackson auf einen Schalter, und das Licht einer Lampe fiel auf ihn. Oder besser gesagt: auf LuAnn selbst, wie sie mit schockhaften Entsetzen erkannte. Denn neben ihr saß eine Doppelgängerin jener Frau, in die Jackson sie verwandelt hatte. Das gleiche kurze rote Haar, der helle Teint, die gekrümmte Nase – alles stimmte so perfekt überein, als säße LuAnn plötzlich einer Zwillingsschwester gegenüber. Der einzige Unterschied bestand darin, daß LuAnn Jeans trug und ihr Zwilling ein Kleid. LuAnn war dermaßen aus der Fassung, daß sie kein Wort hervorbrachte.
    Jackson klatschte leise in die Hände. »Ich bin schon öfters in die Rolle von Frauen geschlüpft, aber ich glaube, es ist das erste Mal, daß ich eine Nachahmung nachahme. Das Foto im Paß ist übrigens von mir. Heute morgen aufgenommen. Ich finde, ich habe es ziemlich gut getroffen, wenngleich ich zugeben muß, daß ich Ihrem Busen nicht gerecht geworden bin. Nun ja, nicht einmal Zwillinge müssen in jeder Hinsicht übereinstimmen.« Er lächelte, als er LuAnns schockierte Miene sah. »Kein Grund, in Beifallsstürme auszubrechen. Allerdings glaube ich, daß mein Werk ein kleines Lob verdient hat, wenn man die Arbeitsbedingungen berücksichtigt.«
    Die Limousine setzte sich wieder in Bewegung. Sie fuhren aus der Tiefgarage und erreichten eine gute halbe Stunde später den John-F.-Kennedy-Flughafen.
    Bevor der Fahrer die Tür öffnete, bedachte Jackson LuAnn mit einem scharfen Blick. »Setzen Sie den Hut nicht auf, und lassen Sie auch die Brille weg. Sonst könnte der Verdacht aufkommen, daß Sie Ihre Gesichtszüge verbergen wollen. Außerdem könnte dabei das Make-up in Mitleidenschaft gezogen werden. Denken Sie stets an Regel Nummer eins: Die sicherste Methode, möglichst unauffällig zu sein, besteht darin, so auffällig wie möglich zu sein. Es geschieht selten, daß man zwei erwachsene Zwillinge zu Gesicht bekommt, aber eben dadurch, daß wir den Leuten auffallen – die Polizei eingeschlossen –, ja, daß wir sogar von ihnen angestarrt werden, erregen wir keinen Verdacht. Überdies wird die Polizei nach einer einzigen Frau suchen. Wenn man uns zusammen sieht, uns hübsche Zwillinge, wird die Polizei uns in Ruhe lassen, selbst wenn wir ein Baby dabei haben, mag man uns noch so sehr begaffen. So ist nun mal die menschliche Natur.«
    Jackson streckte den Arm nach Lisa aus. Instinktiv packte LuAnn sein Handgelenk und blickte ihn mißtrauisch an.
    »LuAnn, ich gebe mir die größte Mühe, Sie und Ihr kleines Mädchen sicher außer Landes zu bringen. Wir müssen gleich ein kurzes Stück durch einen dichten Sperriegel aus Polizisten und FBI -Leuten gehen, die alles daransetzen werden, Sie zu verhaften. Ich habe kein Interesse, Ihre Tochter zu behalten, das können Sie mir

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