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Die versunkene Welt

Die versunkene Welt

Titel: Die versunkene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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jedoch galt es, anderes zu meistern.
    »Wir bringen euch zur Flüsterbucht«, verkündete die Götzendienerin, als sie das Gehöft verließen. Es war bereits spät am Tage, bald sollte die Abenddämmerung einsetzen. »Dort befindet sich ein kleinerer Tempel, der halb im Wasser steht.«
    »Bei Ebbe?« fragte Mythor, »oder bei Flut?«
    »Immer«, sagte Dorgele geheimnisvoll.
    Mythor zuckte die Schultern und bedeutete den Gefährten, weiterhin ruhig zu bleiben, wobei er sich fragte, wie lange die Amazonen ihren Tatendrang noch im Zaum zu halten vermochten. Um Gerrek brauchte er sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen. Der Mandaler hatte dem Wein der Inselbewohner reichlich zugesprochen und wankte mit Augen neben ihnen her, die denen der Verfemten schon sehr glichen.
    »Wasser«, sprach Gerrek mit schwerer Zunge, »ist auch nur eine Form von Wein!«
    »Gut, daß du das endlich einsiehst«, lachte Mythor.
    Der Weg zur Flüsterbucht führte an der inneren Küste von Asingea entlang. Wo das ansteigende Gelände unbegehbar war, mußten die Gefährten und ihre Führer wieder durch Uferschlick und Tang waten. Das Wasser hatte sich weit vom Land zurückgezogen. Kleine Meerestiere waren von der Flut zurückgelassen worden. Einige von ihnen, Krebse und anderes mit gefährlichen Greifwerkzeugen bewehrtes Getier, zwickten nach den Füßen der Menschen. Gerrek rutschte aus, als er auf eine Qualle trat, stierte das glitschige Etwas grinsend an und warf es ins Meer zurück.
    Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Kein Lufthauch rührte sich. Alles war still, als sammelten die Elemente ihre Kraft für einen gewaltigen Sturm.
    Entsprechend fühlte Mythor sich. Er zwang sich, den Blick geradeaus zu richten, von widersprüchlichen Gefühlen hin und her gerissen.
    Es war bereits dunkel, als sie den Tempel vor sich liegen sahen. Dorgele blieb stehen und deutete mit ausgestrecktem Arm darauf.
    »Dorthin müssen wir!«
    Auf ihr Zeichen machten sich die Verfemten daran, ein mit dem Kiel nach oben liegendes Boot von Holzböcken zu nehmen und zu Wasser zu lassen. Dorgele wartete, bis Mythor, Gerrek, Scida und Kalisse hineingestiegen waren, und ließ noch sechs Verfemte an sich vorbei, bis sie als letzte folgte.
    Die anderen blieben an Land zurück und stießen das Boot tiefer ins Wasser. Die sechs Grünhäutigen begannen zu rudern.
    Der Tempel lag im Meer, gute drei Steinwürfe vom Ufer entfernt. Mythor kniff die Augen zusammen. Als der Regen aufhörte und der Mond zwischen den Wolken hervorkam, konnte er in dessen fahlem Licht Einzelheiten erkennen.
    Wahrhaftig schien der Tempel in den Wellen leicht zu schaukeln. Es war ein einfacher Turm, etwa zwei Körperlängen breit, und um ihn herum lagen dicke Ballen einer braungrauen, schwimmenden Masse.
    »Eingedickter Saft aus einem bestimmten Baum«, erklärte Dorgele. »Die Ballen sind fest mit dem Tempel verbunden und gestatten es ihm, immer mit einer Hälfte über, mit der anderen unter Wasser zu sein.«
    Mythor nickte, wobei er sich fragte, ob nicht Magie mit im Spiel war. Denn schier unvorstellbar erschien es ihm, daß selbst diese dicken Ballen genügend Auftrieb haben konnten, um das Gemäuer zu tragen.
    Das Boot legte an. Nur eine Öffnung, eine halbe Körperlänge über dem silbern glitzernden Wasserspiegel, führte in den Turm hinein. Dorgele kletterte als erste auf die porigen Ballen und verschwand darin. Gerrek, Scida und Kalisse folgten, letztere nur widerwillig. Als Mythor sich nach den Verfemten umsah, waren deren Blicke zum Ufer gerichtet, als sei es ihnen verboten, diesen Ort zu schauen.
    Allem Anschein nach sollten sie hier warten. Mythor zuckte die Schultern und folgte den Gefährten.
    Auch von innen zeigte der Turm wenig Ähnlichkeit mit einem Tempel. Er war hohl und bar jeglicher Einrichtung. Nur zwei Öllampen baumelten von in die Mauer getriebenen Haken und warfen ihr tanzendes Licht über Stein und eine kreisrunde Öffnung in der Mitte des Bodens, der genau auf der Höhe des Meeresspiegels war. In dieser Öffnung schimmerte Wasser, das bei jeder Schaukelbewegung auf den Rand spritzte, der gerade so breit war, daß Dorgele und die Gefährten sich darauf verteilen konnten.
    Mythor ahnte etwas, als die Priesterin einen großen Trichter von der Wand nahm, wobei er sehen konnte, daß dessen spitzes Ende mit einem unglaublich feinen Netz überspannt war. Ganz spitz war dieses Ende natürlich nicht, vielmehr zylinderförmig, und die Öffnung maß im Querschnitt kaum eine

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