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Die versunkene Welt

Die versunkene Welt

Titel: Die versunkene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Handbreit.
    Gerrek kicherte und fragte an, ob Dorgele gedachte, aus dem Trichter zu trinken. Kalisse warf ihm einen wütenden Blick zu, während Scida den Kopf in den Nacken legte und argwöhnisch zur ebenfalls nur aus Mauersteinen bestehenden Decke hinaufschaute, die den »Tempel«, gut drei Körperlängen über ihren Häuptern abschloß.
    Es war ein unheimlicher, stiller Ort.
    Mythor folgte Dorgeles Beispiel, als diese sich auf die Knie fallen ließ und über die Bodenöffnung beugte. Den Trichter drückte sie mit dem bespannten Ende ins Wasser, bis der obere Rand nur noch knapp daraus hervorschaute.
    Ihre Bewegungen hatten etwas Feierliches an sich. Unwillkürlich hielten die Gefährten den Atem an. Allein Gerrek schien dies alles sehr lustig zu finden. Er kicherte albern, bis er von Mythor einen Stoß gegen das Schienbein erhielt.
    »Sei still jetzt!« flüsterte der Sohn des Kometen ihm zu. »Oder ich werfe dich eigenhändig ins Wasser!«
    »Wein«, wurde er belehrt. »Das ganze Meer ist voller Wein.«
    Dann aber schwieg selbst Gerrek, als Dorgele den Kopf über den Trichter brachte und sich so weit in ihn hineinbeugte, daß ihr Gesicht nicht mehr zu sehen war. Neugierig beugte auch der Mandaler sich weiter vor, gefährlich weit über die Öffnung. Dabei schwankte er.
    Mythor achtete nicht mehr auf ihn. Seine Vermutung bestätigte sich, als Dorgele damit begann, eine Reihe von Pfeiflaute auf einer kleinen Flöte zu blasen, die im Trichter blechern widerhallten.
    »Was macht sie?« fragte Scida flüsternd. Auch sie war neben Mythor in die Hocke gegangen, ohne die Hände von den Schwertern zu nehmen.
    »Ich nehme an«, gab er ebenso leise zurück, »daß dies die Sprache der Tritonenist.«
    »Du meinst, sie pfeifen? So wie sie?«
    Warte ab! bedeutete er ihr.
    Es waren immer die gleichen Laute, die Dorgele der Flöte entlockte. Nach einer Weile hörte sie auf und richtete sich wieder auf. Niemand wagte zu reden. Sie blickte starr vor sich hin, als sei sie sich der Anwesenheit anderer gar nicht mehr bewußt.
    Als nichts geschah, wiederholte sie die Prozedur. Und diesmal hatte sie mehr Erfolg.
    Aus dem Trichter drangen andere, ähnlich klingende Pfeiflaute. Freudig erregt antwortete die Ausgestoßene. Die Töne veränderten sich, und Mythor fragte sich, was die Tritonen Dorgele mitteilten.
    Das Hin und Her dauerte noch eine Weile an, dann erhob sich die Priesterin und nickte den Gefährten zu.
    »Unter Wasser«, erklärte sie und hob ihre Flöte in die Höhe, »unterhalten die Tritonen sich auf diese Weise. Natürlich brauchen sie dazu kein solches Instrument. Einige wenige von ihnen, die auch für längere Zeit außerhalb des Wassers zu leben gelernt haben, beherrschen auch unsere Sprache.«
    »Das ist sicher sehr interessant«, seufzte Mythor. »Aber was sagten sie, Dorgele? Ich dachte, wir sollten ihnen hier begegnen.«
    »Sie hält uns hin«, schimpfte Kalisse. »Ich sagte es euch doch! Sie wird ihnen gesagt haben, daß hier einige Opfer für…«
    »Was weißt du denn?« herrschte Dorgele sie an. Kurz blitzte es gefährlich in ihren sonst so sanften Augen auf. »Ich versprach euch, daß ihr die Tritonen sehen würdet, und so wird es geschehen! Doch nicht hier! Es ist etwas geschehen, das sie zwang, ihre Pläne zu ändern! Sie wurden nach Palleas-Verran gerufen, zur versunkenen alten Stadt Palleas!«
    »So?« schrie Kalisse, der Dorgeles scharfer Ton gerade recht zu kommen schien. Sie schüttelte die Eisenfaust. »Und wer hat dir dann geantwortet? Die Fische? Ich will dir sagen, was ich von dir und deinem Geschwätz halte! Du…«
    Sie schrie weiter, und niemand achtete dabei auf Gerrek, der sich gesetzt und durch Dorgeles Beispiel angeregt die Zauberflöte aus der Bauchtasche genommen hatte. Er begann darauf zu spielen. Nicht nur, daß er ihr zum erstenmal ganze Folgen von betörenden Klangfolgen entlockte – der Beuteldrache ließ seine Beine im Wasser baumeln!
    Mythor sah das Wunder nicht. Verärgert über Kalisse starrte er die Amazone an und machte ihr Zeichen, zu schweigen. Sie winkte nur ab. Er wußte, wie weit er gehen konnte, und dies war nicht der Moment zum Streiten.
    Erst jetzt wurde er sich dessen bewußt, daß er sich von Dorgeles Versuchen weit mehr versprochen hatte, als nur mit den Tritonen zu reden. Er hatte sie endlich sehen wollen. Nun schien es, daß er wieder zu warten hätte.
    Da aber stieß Gerrek einen schrillen Schrei aus. Er riß die Beine aus dem Wasser, sprang zurück, humpelte und

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