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Die versunkene Welt

Die versunkene Welt

Titel: Die versunkene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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war meine Schuld! Vergib mir, deiner untertänigen Dienerin!
    Das waren schöne Worte, dachte Leartes. Nicht immer sprachen die Priesterinnen der Menschen so zu ihm, denn er war nur ein Angehöriger des Ersten Kreises, ein Niederer.
    Noch immer zögerte er.
    Doch dann hörte er es wieder, dies wundersame Flötenspiel aus der Membrane des Trichters, das vom Wasser weithin ins Meer getragen wurde. Die Musik gewann Macht über den Tritonen. Wer eine solche Musik zu machen verstand, der konnte nicht böse sein. Die Priesterin hatte sicher recht, und die Menschen waren lediglich bei seinem unverhofften Anblick erschrocken gewesen.
    So vertieft war Learges in die betörende Laute, daß er die Gestalt nicht wahrnahm, die ihm in einigem Abstand folgte.
    Er sah den hellen Kreis der Öffnung wieder über sich. Diesmal tauchte er vorsichtiger auf, doch über alle Maßen begierig, jenes Wesen zu schauen, dessen Flötenspiel sein Gemüt mit Wonne erfüllte.
*
    Wieder kräuselte sich das Wasser, verdunkelte sich genau in der Mitte der Bodenöffnung.
    Mythor stand still und überzeugte sich mit einem schnellen Blick davon, daß Scida und Kalisse sich diesmal besser zu beherrschen verstanden.
    Gerrek »spielte« noch auf der Flöte, wie ihm angetragen. Und der Erfolg blieb nicht mehr länger aus.
    Der grüne Kopf hob sich erneut aus dem Wasser. Mythor sah zuerst die beiden kurzen, vom Schädelkamm fortgebogenen Hörner, dann die großen, muschelförmigen Ohren, schließlich die tiefliegenden Fischaugen.
    So verharrte der Tritone für eine Weile. Nur die obere Hälfte des Kopfes war über Wasser. Die Augen bewegten sich, schienen jeden der Umstehenden genau zu studieren und blieben schließlich auf Gerrek ruhen.
    »Spiele!« flüsterte Mythor. »Lauter!«
    Das hätte er besser nicht gesagt. Gerrek holte Luft und blies so heftig in die Zauberflöte, als gelte es, die Wände des Turmes mit seinem Feuer anzurußen. Die dabei herauskommenden schrecklichen Mißtöne waren dazu angetan, einen Menschen um den Verstand zu bringen.
    Nicht so den Tritonen.
    Der Meeresbewohner starrte Gerrek an. Alle anderen schienen für ihn Luft zu sein. Sein Kopf schob sich weiter in die Höhe.
    Er glich dem einer Echse. Unter den Fischaugen lag ein weit vorspringender Oberkiefer mit zwei spitzen Reißzähnen, darunter der kürzere Unterkiefer mit einer Reihe gefährlich aussehender Sägezähne. Rechts und links vom Hals befanden sich Kiemen von hellroter Farbe.
    Die Hände des Tritonen schoben sich über den Rand der Öffnung, versehen mit je einem muskulösen Daumen und drei durch Schwimmhäute verbundenen Fingern. Wieder verharrte das Wesen für eine Weile in dieser Stellung, um sich dann in die Höhe zu drücken und die Knie auf den Steinboden zu bringen.
    Scida und Kalisse wichen zurück, beherrschten sich aber. Aus den Augenwinkeln heraus aber sah Mythor, wie Dorgeles Gesicht einen seltsamen Ausdruck annahm.
    Wassertriefend stand der Tritone vor den Gefährten – das heißt: vor Gerrek, den er unverwandt anstarrte. Sein ganzer Körper war grün und geschuppt. Im Gegensatz zum Schädel war dieser Körper sehr menschenähnlich, wie auch die Muskulatur, abgesehen von kurzen Finnen an den Ellbogen und entlang der Wirbelsäule, die in einem kurzen Schwanz endete. Wie die Finger, waren auch die drei kräftigen Zehen durch Schwimmhäute verbunden.
    Der Tritone reichte Gerrek kaum bis zum Kinn. Nur etwa fünf Fuß und zwei Handbreit maß er aufgerichtet, und nun wirkte er längst nicht mehr so furchterregend.
    Er stand vor Gerrek. Daß der Mandaler ihn mit seinem Flötenspiel angelockt hatte, war offensichtlich. Mythor hatte jedoch eher erwartet, daß der Tritone ihm die Zauberflöte entreißen und sie ins Wasser werfen würde, um dem Schrecken ein Ende zu machen.
    Aber es sah ganz so aus, als labte er sich an den Mißtönen. Gerrek mochte dies auch so sehen, denn noch stärker blies er in die Flöte.
    »Aufhören!« schrie da plötzlich Dorgele. Sie winkte heftig. »Hör auf damit!«
    Mythor erschrak vor der Härte in ihrer Stimme. Gerrek setzte die Flöte ab. Der Tritone drehte sich langsam zur Priesterin um.
    Dorgele streckte den Arm aus und deutete über die Öffnung anklagend auf ihn.
    »Du bist ein Niederer!« rief sie aus. »Geh dorthin zurück, wo du hergekommen bist! Nicht einen wie dich erwarteten wir zu sehen!«
    Was war in sie gefahren? War es nicht gleich, wen das Meervolk als Botschafter in den Tempel schickte? Mythor wollte die Inselbewohnerin

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