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Die versunkene Welt

Die versunkene Welt

Titel: Die versunkene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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hielt sich den rechten Fuß.
    Kalisse verstummte.
    »Da war etwas an meinem Zeh!« klagte er. »Etwas hat mich gebissen oder gezwickt! Ein Riesenfisch oder ein Meeresungeheuer!«
    »Kein noch so gräßliches Ungeheuer verdirbt sich den Magen an einem verlausten Beuteldrachen!« fuhr Kalisse ihn an. »Der Wein hat deinen kümmerlichen Rest von Verstand schon so umnebelt, daß…«
    Scida fuhr in die Höhe und wich bis zur Wand zurück. Mit weit ausgestrecktem Arm deutete sie auf die sich kräuselnde Wasserfläche.
    »Da!«
    Es war kein Fisch und kein Seeungeheuer, dessen Kopf sich nun triefend aus der Öffnung hob. Mythor fühlte sich augenblicklich wieder in das Höhlenlabyrinth unter der Tempelruine versetzt, wo er einen solchen Schädel schon einmal gesehen hatte, wenn auch nur vage.
    Und kein Wunder war es, daß Scida und Kalisse wie auf ein Kommando gleichzeitig ihre Schwerter zogen und Anstalten machten, sich auf das Wesen zu stürzen, dessen Hände nun den Rand der Bodenöffnung umfaßten, als es sich mit dem Oberkörper aus dem Wasser hob.
    Selbst Mythors Hand fuhr auf Alton herab, als er die furchterregende Gestalt sah. Dorgele fiel ihm in den Arm und rief beschwörend:
    »Steckt die Waffen fort! Es ist ein Tritone! Er kommt als unser Freund!«

4.
    Sein Name war Learges.
    Die Menschen waren ihm nicht fremd, denn er selbst hatte Menschenblut in den Adern. Sein Vater war ein mächtiger Tritone gewesen, seine Mutter eine schwache Menschenfrau. Nicht oft kam es dazu, daß sich Meervolk und Menschen paarten, doch es geschah. Es geschah in Nächten, in denen die Bewohner der Oberwelt zu den Klippen der Inseln kamen und Opfergaben ins Meer warfen. Dann stiegen die Tritonen aus den Fluten, und Meervolk und Menschen vereinten sich zu einem Reigen im Licht des vollen Mondes. Sie spielten in den Wellen, und berauscht von solchem Treiben, vergaß man alle Unterschiede, die ohnehin von Mond zu Mond geringer wurden.
    Denn die Bewohner der Oberwelt veränderten sich. Immer mehr, von Geburt zu Geburt, glich sich ihr Äußeres dem der Meeresbewohner an, und der Tag war nicht mehr fern, an dem ein einziges, großes Volk über Wasser und Land gebieten würde.
    Dies war einer von Learges’ Träumen und ein Grund dafür, daß er sich immer wieder in die Nähe der Menschen wagte – selbst dann, wenn die Meermutter es verbot.
    Auch jetzt hätte er in Palleas-Verran sein sollen, von wo große Gefahr drohte. Gemeinsam mit den anderen elf, die die Botschaft der Tempeldienerin vernommen hatten, war er auf dem Weg dorthin gewesen. Und nur das Flötenspiel hatte ihn in einem günstigen Augenblick unbeobachtet umkehren lassen – jenes betörende, wunderschöne Flötenspiel, das er schon vernommen hatte, als er mit anderen Tritonen die sinkende Lumenia zerstückelte und die darin eingeschlossenen Menschen zur Oberfläche schickte.
    Nun sah er sie, und ein Schreck durchfuhr ihn, als er ihre Waffen im Licht der Lampen aufblitzen sah. Sie waren nicht verändert wie die Inselbewohner und steckten in Kleidern und Rüstungen, die sie ersticken mußten.
    Learges war nicht der Furchtsamsten einer. Aber nun, als zwei der Fremden Anstalten machten, ihm mit den Schwertern zu Leibe zu rücken, ließ er sich blitzschnell zurück in die Tiefe gleiten und griff seinen Dreizack, den er sich aus Vorsicht unter das Kniegelenk geklemmt hatte. Mit einigen schnellen, kräftigen Schwimmzügen entfernte er sich von der Sprechstelle.
    Wohin sollte er sich wenden? Ertach, der Staffelführer, war mit den anderen längst auf dem Weg nach Pelleas-Verran. Learges konnte nicht hoffen, daß sein Verschwinden unbemerkt geblieben war, und Ertach kannte kein Erbarmen mit solchen, die sich seinen Weisungen widersetzten.
    Zurück nach Ptaath konnte er ebensowenig. Alle würden ihn fragen, warum er nicht in Pelleas-Verran war, wo jeder Kämpfer gebraucht wurde.
    So blieb er, unsicher, in der Nähe der Sprechstelle.
    Und wahrhaftig! Er hörte die Stimme der Priesterin wieder, die das Meervolk gerufen hatte, auf daß der Bund gegen das Böse zwischen Tritonen und den fremden Kriegern besiegelt würde.
    Komm zurück! sagten die vertrauten Laute. Sie waren schwer verständlich, und die Priesterin wiederholte sie mehrmals, denn nie würde ein Mensch die Sprache der Tritonen vollkommen beherrschen können.
    Vorsichtig schwamm Leartes näher heran.
    Komm zurück, Bruder des Meeres! Die Menschen erschraken nur vor dir, weil ich versäumte, sie auf deinen Anblick vorzubereiten! Es

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