Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
Idee, seine Tochter könnte Herzogin werden.« Er hob traurig die Schultern. »Es spielt keine Rolle. Das einzig wichtige ist, dass Althea, unsere Großmutter, sich nie mit der Vorstellung ausgesöhnt hat, ein halber Amerikaner würde das Herzogtum erben. Und deshalb hat sie es sich zum Ziel gemacht, Jim seine amerikanische Identität auszutreiben. Mit allen Mitteln. Siebekämpfte sein Benehmen, seine Angewohnheiten, seinen Akzent, ja sogar seine Erinnerungen. Er durfte nie über seine Familie oder über sein Leben auf der Ranch sprechen. Niemals. Einige ihrer Methoden waren ... brutal.«
Mein Gott. Sie erschauderte und schlang die Arme um sich, als wolle sie sich gegen die Bilder schützen, die Tynesboroughs Worte heraufbeschworen. Und wenn ihr schon eine Erzählung aus zweiter Hand so zusetzte, wie schlimm musste dann erst die Realität für Jim gewesen sein.
»Jim hat gelernt, sich hinter einer Maske der Gleichgültigkeit zu verstecken. Aber das ist nicht sein wahres Wesen«, erklärte Lord Tynesborough. »Tatsächlich hatte er vor, auf seinen Titel und sein Erbe zu verzichten, um diejenigen, die er liebte, vor Leid zu bewahren.«
»Habe ich da gerade etwas von leiden gehört?«, fragte eine weibliche Stimme.
Ginesse sah sich um. Miss Whimpelhall kam auf sie zu geschlendert, beschattet von einem grazilen Sonnenschirm und mit Spitzenhandschühchen an den Händen. Ihr langer Rock wirbelte kleine Staubwolken auf. »Es geht doch hoffentlich nicht um das arme Pferd?«
Einen Augenblick saß Ginesse einfach nur wie versteinert da, unfähig sich von der Geschichte, die sie gerade gehört hatte, zu lösen und zu dem artigen Geplänkel überzugehen, das jetzt von ihr erwartet wurde. Glücklicherweise war Lord Tynesborough in diesen Dingen geschickter als sie.
»Nein, keineswegs, Miss Whimpelhall«, begrüßte er sie und seine Miene glättete sich zu einem höflich interessierten Ausdruck. »Das Pferd ist in allerbester Verfassung. Genau das scheint ja das Problem zu sein. Es treibt so seine Scherze mit den Stallburschen und deshalb haben sie beschlossen, schweres Geschütz aufzufahren – nämlich meinen Bruder. Sind Sie bereit, einem meisterhaften Pferdekenner bei der Arbeit zuzusehen?«
Erstaunlicherweise lächelte Miss Whimpelhall so verschmitzt, dass sich tatsächlich ein Grübchen auf ihrer Wange zeigte. »Ich bin immer bereit, etwas hinzuzulernen, Professor.« Sie sah zu Ginesse hoch und zeigte sich kein bisschen überrascht darüber, wo diese saß. Anscheinend hatte die Reise ihre strikten Ansichten über angemessene Schicklichkeit etwas gelockert. »Hallo, Miss Braxton.«
»Guten Morgen, Miss Whimpelhall«, grüßte Ginesse, die endlich ihre Stimme wiedergefunden hatte. »Würden Sie sich für die Vorführung zu mir gesellen?«, fragte sie und klopfte neben sich auf den Zaun.
»Herrje. Ich meine, nein, vielen Dank.«
»Wird Colonel Lord Pomfrey uns auch Gesellschaft leisten?«, wollte Lord Tynesborough wissen.
»Nein, ich fürchte nicht. Er ist anderweitig verpflichtet«, antwortete sie und wandte den Blick dabei nicht von Jim und dem Hengst.
Der Graue stand nun still. Jim ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Widerrist. Ein Schauer lief über das glänzende Fell des Hengstes, als Jim ihm mit einer einzigen, fließenden Bewegung die Hackamore über den edlen Kopf streifte. Dann vergrub er die Handin der Mähne des Tiers und schwang sich elegant auf seinen Rücken.
Der Hengst tänzelte und versuchte, dem Gewicht auszuweichen. Jim lehnte sich nach vorne und verlagerte den Druck seiner Beine. Sofort beruhigte sich das Pferd. Dann, auf ein unsichtbares Signal hin, fiel der Graue in einen lockeren Galopp. Jim passte sich seinen Bewegungen an und es schien, als würde er nicht nur auf dem Grauen reiten, sondern, als sei er mit ihm verwachsen.
»Unglaublich, nicht wahr?«, murmelte Lord Tynesborough mit hörbarer Bewunderung und in seiner Aufregung legte er seine Hand ein weiteres Mal über die von Ginesse.
Jim sah zu ihnen hinüber. Der Hengst scheute und schlug mit dem Kopf.
»Er sollte ein anständiges Zaumzeug bekommen«, bemerkte Miss Whimpelhall.
»Das braucht er nicht«, entgegnete Lord Tynesborough. »Sehen Sie nur.«
Doch Jim war fertig. Er schwang ein Bein über den Rücken des Grauen, glitt mitten im Galopp von seinem Rücken und landete geschickt auf den Füßen.
»Woll’n Sie ihn denn nich’ noch eine Weile reiten?«, fragte einer der Umstehenden. »Ich hab ’n Pfund gesetzt,
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