Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
gekommen und meinem Benehmen fehlt daher der letzte Schliff. Aber anscheinend hatte das alles bei dir auch nicht den größten Erfolg.«
»Oh, bitte«, fauchte sie. »Du hättest eine Ausbildung bekommen können, wie es an keiner Schule, nirgendwo, eine bessere gibt. Du wurdest von einem der berühmtesten lebenden Ägyptologen, meinem Urgroßvater,persönlich unter weiß Gott wie vielen Bewerbern als Schüler ausgewählt. Und du hast diese Chance weggeworfen, aus purer
Eifersucht
.«
Haji schnappte nach Luft, doch es war ihr egal. Sie war müde, unglücklich und plötzlich wütend. Ja. Sie hatte Fehler gemacht, aber sie war es leid, sich für ihre Vergangenheit rechtfertigen zu müssen.
»Ich habe absolut freie Hand bei der Planung des Dinners«, erklärte Miss Whimpelhall verzweifelt. »Sir Robert hat mir die Dienste seines Kochs angeboten. Ist das nicht nett?«
»Und wie«, bekräftigte Lord Tynesborough, gerade als der Hengst plötzlich in wilde Bocksprünge ausbrach. Die Männer riefen irgendwas, aus dem das Wort »Wespen« herauszuhören war. Die Frauen kletterten vom Zaun, doch Ginesse bemerkte nichts davon.
Und auch Haji nicht.
»Und wenn schon, wer könnte es mir verübeln, dass ich eifersüchtig war?«, knurrte er und funkelte sie an. »Du wurdest in deine Stellung geboren. Alles wurde dir zu Füßen gelegt: Privatlehrer, Zugang zu allem, dein Name. Ich musste mich abrackern, um überhaupt bemerkt zu werden, ich musste mir jede Anerkennung hart erarbeiten. Du musstest nichts weiter tun, als Ginesse Braxton zu sein.«
»Und meinst du, das wäre mir nicht jeden
gottverfluchten
Moment bewusst gewesen?«, schoss sie wütend zurück.
Miss Whimpelhall schnappte nach Luft.
»Enttäuschung. Plage.
Afrit
«, zählte Ginesse auf. »Meinst du, ich hätte nicht bemerkt, wie sehr ich hinter den Erwartungen in mich zurückgeblieben bin, trotz all der Vorteile, die ich hatte? Aber wenigstens habe ich mich durchgebissen. Ich habe gekämpft, um mich doch noch als würdig zu erweisen, du bist einfach nur davongerannt.«
Hajis Gesicht wurde aschfahl bei ihren letzten Worten.
»Ich habe etwas erreicht«, fuhr sie fort und fühlte, wie ihr allmählich die Tränen in die Augen stiegen. »Ich werde etwas erreichen. Etwas, wofür man stolz auf mich sein kann, wofür sich alle Mühen mit mir gelohnt haben. Und was wirst
du
tun?«
Er wusste keine Antwort. Er stand einfach nur da und starrte sie an. Sie weigerte sich, als erste den Blick zu senken.
Plötzlich schrie jemand eine Warnung, der Hengst machte einen Bocksprung auf die Einfriedung zu, in letzter Sekunde wich er aus, doch seine Hinterhand traf den Zaun mit solcher Wucht, dass Ginesse heruntergerissen wurde und in den Korral stürzte.
Sie prallte auf die Schulter und ihr Kopf schlug so hart auf der Erde auf, dass sie einen Moment ganz benommen war. Dumpf nahm sie wahr, dass Haji irgendetwas auf Arabisch rief, Miss Whimpelhall aufkreischte und das Pferd schmerzerfüllt wieherte. Verschwommen sah sie direkt vor ihren Augen Erdklumpen aufstieben, wie Schaum auf einer Welle, aufgewirbelt von gewaltigen Hufen, die nur Zentimeter vor ihrem Gesicht auf den Boden donnerten.
Dann wurde sie hochgerissen, ebenso schnell, wie sie gefallen war, und starke Arme drückten sie gegen einebreite Brust. Sie fühlte einen donnernden Herzschlag unter der Wange. Sie legte den Kopf in den Nacken und erkannte die unverwechselbare Linie von Jims Kinn. Er trug sie aus dem Korral und sie schloss die Augen, sie fühlte sich in Jims Armen so sicher und geborgen, wie nirgendwo sonst.
Dann blieb er stehen, sie öffnete die Augen und sah, dass Jim ihren Blick mit grimmiger Entschlossenheit mied. Aber Lord Tynesborough stand dicht vor ihr und tiefe Besorgnis lag in seinem Gesicht.
»Geht es Ihnen gut, Miss Braxton? Sollen wir nach einem Arzt rufen? Ein Arzt, schnell«, rief Lord Tynesborough.
»Nein. Nein, bitte. Es geht mir gut. Mir ist nur bei dem Aufprall kurz die Luft weggeblieben«, wehrte sie ab und wünschte sich entgegen allen Stolzes und aller Hoffnungslosigkeit, dass Jim einfach weitergehen und sie forttragen würde.
Stattdessen ließ er sie in Tynesboroughs Arme fallen.
»Du musst lernen, in ihrer Gegenwart schneller zu reagieren«, sagte er und stampfte ohne ein Wort der Erklärung davon.
K APITEL 30
Die schreckliche und unleugbare Wahrheit war, dass der Mann, dem sie all ihre süße, unsterbliche Liebe geschenkt hatte, ihre Gefühle nicht erwiderte.
aus dem Tagebuch von
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