Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
Verantwortungsbewusstsein hinter seinem Antrag steckt und sonst nichts?«
»Nicht sein Verantwortungsbewusstsein, sondern sein
Schuldbewusstsein
«, korrigierte Ginesse. »Er hat ein
schlechtes Gewissen
!«
»Oh je.« Sir Robert kaute auf seiner Unterlippe, eine Angewohnheit, in die er manchmal verfiel, wenn ihn etwas bekümmerte.
»Glaub mir, Mr Owens ist sich vollauf bewusst, dass ich gegenseitige romantische Gefühle in einer Ehe für unverzichtbar halte. Wenn er also wirklich etwas für mich empfinden würde, dann hätte er es doch gesagt, oder?«
»Was genau hat er denn gesagt?«
Sie ließ seinen Arm los und verschränkte auf Höhe ihrer Taille die Finger ineinander. Sie senkte den Blick, damit ihr Urgroßvater ihre Tränen nicht sah. »Er hat gesagt, er wünschte, er wäre ein anderer.«
Sir Robert kniff die Augen zusammen.
Sie schniefte und nickte bestätigend. »Dann hat er gesagt, da er das aber nun mal nicht sei, müssten wir es eben einfach akzeptieren. Und er hat gesagt, er wäre moralisch immerhin nicht völlig verkommen, und dass er zwar das, was passiert ist, nicht mehr ungeschehen machen könne«, wieder wurde sie rot, »dass er es aber ›legitimieren‹ wolle und versuchen würde, mich glücklich zu machen.«
Natürlich liefen ihr die Tränen nun doch über die Wangen und sie wusste nicht einmal, ob es Tränen der Wut oder Tränen der Trauer waren. Vermutlich beides.
»Oh je«, sagte Sir Robert noch einmal und sah sie sehr eindringlich und sehr ernst an. »Er erscheint einem so beherrscht, dass man leicht vergisst, wie jung er noch ist.«
Jetzt hätte sie vor Frustration am liebsten mit dem Fuß gestampft. Was hatte denn jetzt bitte Jims Alter damit zu tun?
»Das ist doch egal. Ich habe nein gesagt. Und jetzt möchte nicht mehr über Mr Owens reden.«
Einen Moment lang schien es ihr, als wollte ihr Urgroßvater noch etwas sagen, doch dann nahm er nur wieder ihren Arm und führte sie weiter.
»In Ordnung«, sagte er nach einer Weile. »Wenn du nicht mehr über Mr Owens sprechen möchtest, den wir jetzt wohl besser Avendale nennen sollten ...«
»Und das kommt auch noch dazu«, platzte sie heraus.
Ihr Urgroßvater hielt inne und wartete geduldig.
»Er hat mir
nie
etwas davon gesagt, dass er ein Duke ist. Warum sollte man einer Frau einen Antrag machen, ohne ihr vorher zu sagen, dass man zufälligerweise ein Herzogtum erbt?«
»Ich weiß nicht recht ...«
»Aber ich. Um sie zu
prüfen
. Um ihre Prioritäten und ihren Charakter kennenzulernen. Und wenn diese Frau seinen Antrag ablehnt, solange sie nicht weiß, dass er ein Duke ist, kann sie ihre Entscheidung unmöglich rückgängig machen und einen zukünftigen Antrag annehmen, wenn sie es schließlich erfährt. Aber natürlich bestehtauch absolut keine Chance auf einen weiteren Antrag, besonders wenn sie ... wenn sie ...« Jetzt schluchzte sie.
»Wenn sie was, mein Liebes?«
»Wenn sie ihm gesagt hat, sie will ihn vor allem deshalb nicht heiraten, weil er nichts hat außer ...«
»Außer was?«
»Ein Pferd!«, heulte sie, machte auf dem Absatz kehrt und rannte davon.
Sir Robert Carlisle starrte seiner flüchtenden Urenkelin hinterher. Kurz erwog er, sie zurückzurufen und ihr zu erklären, dass er mit seiner Frage, was sie bezüglich des Mannes, der in sie verliebt war, tun wollte, nicht James Owens gemeint hatte, sondern Geoffrey Tynesborough.
Aber dann siegte die Vernunft. Warum ohnehin schon trübe Wasser noch weiter aufwirbeln?
So so, dieser wiederentdeckte Duke of Avandale hatte also um Ginnys Hand angehalten, und das nicht nur einmal, sondern gleich zweimal.
Das
war nun wirklich eine Überraschung. Aber eigentlich hätte es ihn nicht weiter verwundern dürfen, dachte er dann. Immerhin hatte Ginesse den Charme ihrer Mutter und die Augen ihres Vaters geerbt.
Und dann war da natürlich noch ihre entzückende florentinische Nase
K APITEL 29
Sie war unglücklich.
aus dem Tagebuch von Ginesse Braxton
S chon früh am nächsten Morgen verließ Ginesse ihr Zimmer in Pomfreys Haus und wartete vor dem Gebäude, in dem Magi untergebracht war. Sie wappnete sich für die Standpauke, die sie mehr als verdient hatte, weil sie niemandem Bescheid gegeben hatte, wo sie war. Doch als Magi, die sonst nicht gerade für ihr überschwängliches Wesen bekannt war, sie sah, nahm sie Ginesse nur stumm in die Arme und hielt sie fest. Es traf Ginesse mehr, als jede Zurechtweisung es vermocht hätte. Niemals wieder, schwor sie sich, würde sie
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