Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
Ginesse Braxton
D as Essen war ausgezeichnet gewesen – offensichtlich hatte Sir Robert die Dienste seines Koches tatsächlich zur Verfügung gestellt – und der Wein war in Strömen geflossen. Sir Robert musste darauf bestanden haben, Haji und Magi einzuladen, und Pomfrey hatte nicht gewagt, es ihm abzuschlagen. Haji, Jock und Sir Robert hatten weitgehend das Tischgespräch bestritten und die Unterhaltung war lebhaft und amüsant. Pomfreys Nachwuchsoffiziere und die wenigen Ehefrauen hatten die Gelegenheit genutzt, ihre Tanzschuhe ausgegraben und sich in Schale geworfen. Alle genossen das Fest.
Alle außer Jim.
Er lehnte an der Wand und hielt sein drittes Glas des exzellenten schottischen Whiskeys, den Sir Robert mitgebracht hatte, in der Hand und beobachtete Ginesse. Er versuchte, es nicht zu tun. Er hatte sämtliche Lehren des Anstands und der Selbstbeherrschung bemüht, die ihm das Leben je beigebracht hatte, doch er musste sichschließlich eingestehen, dass keine davon es geschafft hatte, ihn auf sie vorzubereiten. Wenn es um sie ging, besaß er ganz einfach keine Selbstbeherrschung mehr.
Sie trug ein roséfarbenes Kleid aus dünnem Stoff, das sich eng an ihre Hüften schmiegte und um ihre Füße wirbelte. Die Farbe ließ ihre Augen türkis erstrahlen und verlieh ihrem Haar einen satten Goldton. Das Kleid war mit kurzen Bauschärmeln abgesetzt und der tiefe Ausschnitt zeigte gewagt viel Haut. Am Rücken war es sogar noch tiefer geschnitten und Jim konnte die zarte Linie ihres Rückgrats unter einem schmalen schwarzen Samtband verschwinden sehen, das um ihre Taille lag.
Er konnte den Blick genauso wenig abwenden, wie er das Atmen einstellen konnte. Er sah ihr zu, wie sie Jock anlächelte, wie sie über eine seiner Bemerkungen lachte, und während des gesamten Essens rief er sich in Erinnerung, dass er sie ihm im wahrsten Sinne des Wortes selbst ausgehändigt hatte. Jock verdiente sie, sagte er sich. Jock hatte sich geweigert, anzunehmen, was Jim ihm quasi auf einem Silbertablett serviert hatte. Er war ein außergewöhnlicher, charakterfester Mann. Und er war reich. Auch wenn Jock als zweiter Sohn nicht viel vom Erbe ihres Vaters erwarten konnte, hatte ihm seine Mutter ein kleines Vermögen hinterlassen.
Kurz und gut, Jock konnte Ginesse all das geben, was sie wollte.
Und jetzt tanzten sie. Jock hielt Ginesse leicht in den Armen, während das bunt zusammengewürfelte Orchester, das Pomfrey an einer der Kantinenwände platzierthatte, einen flotten Cakewalk zustande brachte. Ihr Rock umflirrte seine Füße und sie hatte den Kopf leicht in den Nacken gelegt ... Vor Jims Augen erschien ein anderes Bild von ihr, den Kopf in Ekstase zurückgeworfen, die Lider halb geschlossen und die Lippen leicht geöffnet.
Er kippte den Rest des Scotchs hinunter.
»Lord Avandale.« Er sah sich um und entdeckte Hajis Tante, die auf ihn zukam. Sie war eine schöne Frau von undefinierbarem Alter. Und sie war genauso respekteinflößend, wie Haji sie beschrieben hatte.
»Jim«, korrigierte er.
Sie neigte fragend den Kopf und blieb gerade so weit von ihm entfernt stehen, dass er sich gezwungen sah, sich von der Wand, an der er gelehnt hatte, zu lösen.
»Nennen Sie mich einfach Jim.«
»Wie Sie wünschen«, entgegnete sie und verfiel dann in Schweigen, während sie die tanzenden Paare beobachtete. Er fragte sich, was sie eigentlich von ihm wollte.
»Können Sie tanzen?«, fragte sie nach einer Weile.
»Ja«, antwortete er. Tanzen war Pflichtteil seiner Erziehung gewesen.
»Warum tun Sie es dann nicht?«
Er schaffte ein knappes Lächeln. »Es sind nur wenige Damen zugegen und viele Männer, die dieses Privileg mehr verdienen als ich, warten bereits auf eine Gelegenheit.«
Sie gab einen abschätzigen Laut von sich. »Eine äußerst bequeme Ausrede.«
Überrascht sah er sie an und sie lachte leise auf. »Ich arbeite schon sehr lange für eine Familie, in der nie einBlatt vor den Mund genommen wird«, erklärte sie. »Ich fürchte, sie hat mit der Zeit mehr auf mich abgefärbt als anders herum.«
»Der Einfluss war sicherlich gegenseitig.«
»Das hoffe ich wenigstens. Ich mag sie sehr, auch wenn sie alle meine Nerven im Laufe der Jahre stark strapaziert haben. Ginesses Mutter beispielsweise, Desdemona. Es gab Zeiten, in denen es mich schier übermenschliche Kraft gekostet hat, sie nicht zu schütteln, um sie zur Vernunft zu bringen. Sie konnte so blind sein.«
»Ginesse erinnert Sie bestimmt an sie«, sagte
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