Die vertauschte Braut: Historischer Liebesroman (German Edition)
vorzustellen und deren Bewunderung sowie ihre Verwirrung darüber zu beobachten. All die Dinge, die er ihr niemals bieten konnte. Weil er ein Niemand war. Ein Schatten. Ein lebender Geist.
Er hatte nichts, was er in eine Ehe bringen konnte, nichts, das er ihr anstelle Pomfreys geben konnte.
Gar nichts.
Er hatte sie sich selbstsüchtig und mitleidlos genommen. Es hatte keine Zärtlichkeit gegeben, keine Rücksicht auf ihre Jungfräulichkeit, keine sanften geflüsterten Beteuerungen und langsamen Annäherungen. Vier Tage lang hatte sie in Angst gelebt, sie hatte nicht gewusst, was sie erwartet, und als sie hier ihres drohenden Vergewaltigers harrte, war er erschienen. Es war nur natürlich und allzu verständlich. Ihre Angst war plötzlich von ihr abgefallen und sie hatte voller Dankbarkeit und Erleichterung das Leben gefeiert und zwar auf die ursprünglichste Art. Und er hatte ihre spontane Reaktion ausgenutzt, um sich endlich zu nehmen, was er begehrte, was er wollte, seitdem er sie zum ersten Mal gesehen hatte.
Es wäre mehr als dumm von ihr, seinen Antrag anzunehmen, und Mildred Whimpelhall war nicht dumm. Aber sie war eine
Lady
. Und er würde ein Gentleman sein. Er würde um ihre Hand anhalten und sie würde annehmen. Was hatte sie denn auch für eine Wahl? Er hatte ihr keine Wahl gelassen.
Er holte tief Luft. »Miss Whimpelhall, ich kann die letzten Minuten nicht ungeschehen machen, aber ich kann es wieder in Ordnung bringen und alles legitimieren. Wenn Sie mir die Ehre erweisen würden, mich zu heiraten, werde ich alles in meiner Macht Stehende tun, um Sie glücklich zu machen.«
»Ungeschehen machen?
Legitimieren?
« Die unverhohlene Fassungslosigkeit in ihrer Stimme traf ihn. Doch vermutlich hatte er es nicht anders verdient.
»Ja«, entgegnete er steif. »Dachten Sie, ich wäre schon so verkommen, dass ich nicht einmal um Sie anhalten würde?«
»Ich habe nichts dergleichen
gedacht
«, fauchte sie mit funkelnden Augen. »Ich habe
überhaupt nicht
gedacht.«
Es war nicht nötig, dass sie ihm seine Verfehlungen noch so unter die Nase rieb, er war sich ihrer vollauf bewusst. Aber auch das verdiente er wohl. »Dann sollten Sie es jetzt tun.«
»Ach ja?« Sie klang unsicher und abwehrend. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, doch diese Geste war keineswegs eindrucksvoll, sondern ließ sie furchtbar jung und verletzlich wirken. »
Warum
sollte ich dich heiraten?«
»Warum?«, wiederholte er dumpf.
»Ja. Und erklär mir, warum du mich heiraten willst.«
Weil ich ein selbstsüchtiger Bastard bin. Weil allein die Vorstellung, dass du in den Armen eines Anderen liegen wirst, schlimmer schmerzt als ein Dolch in meiner Seite. Weil ich, selbst, wenn ich dich niemals wiedersehe und in fünfzig Jahren als alter Mann sterbe, nur dein Gesicht vor Augen haben werde. Weil ich dich will. Ich will dich.
»Ich habe Sie entehrt. Ich könnte nicht ... Ich bin nicht ehrlos, auch wenn meine Taten dagegen sprechen. Bitte, Sie müssen mir das glauben.«
»Oh, das tue ich.« Ihre Stimme klang seltsam. Die Laternen hatten ihr sanftes Pendeln eingestellt und ihr Gesicht lag nun in undurchdringlichem Schatten. »Ich bin sicher, du bist ein
außerordentlich
ehrenhafter Mann.«
»Danke.« Wenn sie an ihn glaubte, war alles möglich. Irgendwie würden sie es schaffen. Irgendwie würde er sie glücklich machen.
»Und obwohl ich mir der
Ehre
, die du mir erweist, sehr wohl bewusst bin«, sagte sie mit emotionsloser Stimme und in äußerst bedächtigem Tonfall, »muss ich deinen Antrag leider ablehnen.«
»Was?«
»Ich werde dich nicht heiraten.«
Ihre Worte ergaben keinen Sinn. Sie würde auch Pomfrey nicht heiraten, ohne ihm zu erzählen, was passiert war, oder ihm wenigstens mitzuteilen, dass sie keine Jungfrau mehr war – was Pomfreys Braut definitiv zu sein hatte. Dafür war sie einfach zu ehrenhaft. Und sie konnte unmöglich so naiv sein, anzunehmen,dass Pomfrey sie noch immer wollte, wenn er erst die Wahrheit kannte.
Es sei denn, sie kannte ihn überhaupt nicht.
Das musste es sein. Sie fühlte sich verpflichtet, an dem Versprechen, das sie Pomfrey gegeben hatte, festzuhalten, und ihr war nicht bewusst, dass er es nicht tun würde. Natürlich kannte sie ihn nicht, wie sollte sie auch? Sie war noch ein Kind, als man sie einander versprochen hatte, und sie hatten die meiste Zeit ihrer Verlobung getrennt voneinander verbracht.
Jim fuhr sich durchs Haar. »Miss Whimpelhall« – diese Förmlichkeit war jetzt
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