Die Verwandlung - Blutsbande 1
mehr weiterstreiten. „Glaubst du, du hast ihn sterben lassen?“
Mit einem wütenden Ausruf fegte er alle Küchenutensilien vom Tisch. Die Schüssel zerbrach zu seinen Füßen und vom Geräusch der Pfannen auf dem Linoleum wäre ich fast taub geworden. Nathan kam auf mich zu, und ich ging einen Schritt zur Seite, mehr aus Reflex als aus Angst. Er würde mir nicht wehtun. Auch wenn er manchmal anders wirkte, würde Nathan nie jemanden verletzen, der schwächer als er war.
„Ich wollte lieber, dass er stirbt, als dass er einer von uns wird!“, rief er so dicht an meinem Gesicht, dass sein Atem meine Haare bewegte. „Du kennst ja nur deine Verwandlung. Du konntest letztendlich du selbst bleiben. Aber nicht alle haben das Glück. Das Blut bewirkt verschiedene Dinge bei verschiedenen Leuten. Es verändert dich und es bewirkt, dass du Dinge tust, die du normalerweise nicht tun würdest.“
Ich sah zu Boden, weil mir bewusst war, dass ich Ziggy auch mit meinem eigenen Blut hätte retten können.
„Du hast es gesehen, das Ding.“ Nathan spuckte das letzte Wort förmlich aus, als gäbe es keinen anderen Begriff, der seinen Schöpfer angemessen beschreiben könnte. „Sein Blut ist in meinem. Wie hätte ich das um alles in der Welt meinem Sohn geben können? Wie hätte ich ihn zu einem Vampir machen sollen …“
Er verlor die Energie, zornig zu sein, und es blieb nur noch Verzweiflung. „Wie hätte ich ihn in etwas wie mich verwandeln können?“ Als er das sagte, war sein Gesicht fahl und seine Schultern hingen herab, als sei er endgültig besiegt. Mit einem lauten Schluchzen fiel er zu Boden.
Als ich ihn weinen sah, reagierte ich so, wie Männer auf Frauen reagieren, wenn sie weinen. Ich stand still da und schaute ihn an, wie er litt. Ich fühlte mich hilflos, die Situation war mir unangenehm. Dann wurde mir klar, dass ich etwas tun musste. Ich kniete mich neben ihn auf den Küchenfußboden und nahm ihn in den Arm. „Nathan, du bist nicht so wie die anderen.“
Ich dachte, er würde mich wegstoßen, aber er drehte sich zu mir um und schlang seine Arme um meinen Rücken, als sei ich der Strohhalm für den Ertrinkenden. „Du kennst mich nicht, Carrie. Du weißt nicht, was ich getan habe.“
Ich fragte mich, wie lange es her gewesen sein mochte, dass er es zugelassen hatte, zu weinen. Oder mit jemandem zu reden oder … Gott, überhaupt seine Gefühle zuzulassen. Ich wusste nicht, wie ich ihn trösten sollte, also hielt ich ihn nur fest, bis seine kalten Tränen mein T-Shirt durchnässten und sein Rücken schluchzend zuckte.
Später, als es ihm wieder besser ging, kehrten wir das Geschirr zusammen und sammelten die Dinge auf, die seinen Wutausbruch heil überstanden hatten. Als sei nichts geschehen, machten wir in der winzigen Küche gemeinsam Frühstück.
Weil es sonst kein Gesprächsthema gab, fragte ich ihn nach Ziggy.
Zuerst antwortete Nathan widerwillig in kurzen sachlichen Sätzen. Ich bin mir nicht sicher, ob es daran lag, dass es ihm durch das Sprechen oder durch die Frühstücksvorbereitungen besser ging, jedenfalls fing er mit der Zeit an, von sich aus zu erzählen. „Ziggy war von zu Hause weggelaufen. Er rannte fort, als er neun Jahre alt war. Kannst du dir das vorstellen?“
Ich schüttelte meinen Kopf und ließ ihn weitererzählen.
„Seine Mutter war drogenabhängig und sein Vater saß im Gefängnis. Sein Stiefvater hatte ihn schlimm verprügelt. Als ich ihn auflas, hatte er zwei gebrochene Rippen. Alle paar Monate gehe ich durch die Gruftie-Kneipen. Ich suche nach Möchtegern-Vampiren und Vampir-Jägern oder nach Kids, die diese Rollenspiele ein wenig zu ernst nehmen. Normalerweise erschrecke ich sie ordentlich und schicke sie dann nach Hause.“ Er deutete auf die Pfanne, damit ich den Speck umdrehte, und lehnte sich zu mir herüber, um die Gasflamme niedriger zu drehen.
„Ziggy war an ein paar ziemlich dumme Kids geraten. Sie waren kleine Teenager, aber sie nahmen ihn mit. Sie hielten sich selbst für Vampir-Jäger, aber ich bin froh, dass ich sie erwischte, bevor sie in ernsthafte Schwierigkeiten kamen. Diese Kinder hatten keine Ahnung, wie man kämpft. Sie rannten alle vor mir weg, bis auf Ziggy. Wir standen in dieser Gasse direkt voreinander und starrten uns an. Zwei Stunden lang. Ich habe sogar diese ganze …“ Er machte eine Handbewegung. „Jedenfalls redete er die ganze Zeit darüber, dass er mich töten würde und die Welt von der ‚Höllenbrut‘, so, glaube ich, drückte
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