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Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Titel: Die Verwandlung der Mary Ward - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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bist doch Martin Ward!«
    Ich dachte: Ich werde es ihm bald einmal sagen. Er wird so etwas von sich geben wie: »John Davis unternahm drei weitere Versuche, die Nordwestpassage zu finden, übersah aber die Hudson-Straße und wurde vom Eis zurückgetrieben«, und ich werde sagen: »Ich habe schon drei Anläufe unternommen, jemandem zu erzählen, daß ich kein richtiges Mädchen bin.« Oder aber er erklärt: »Das Leben auf einer Galeere ist voller Entbehrungen«, worauf ich erwidere: »Und das Leben als Mary ist ein einziges Durcheinander.« Und dann, wenn es einmal ausgesprochen ist, sind wir nicht mehr nur eine Firma von Träumern, sondern eine Firma von Bauinspektoren und Planern.
    Ich vertraute Cord. Mir gefiel es bei ihm immer besser, obwohl er schon so alt war. Er würde mir sicher zustimmen, wenn ich sagte, daß ich in meinem Innern ein Junge war.
    Vieles, was ich dachte, erwies sich als Irrtum. Ich dachte, der Sommer in Holly House würde vorübergehen, ohne daß uns eine Nachricht über Estelle stören würde. Ich dachte, wir würden uns einfach weiterhin mit Geschichte befassen, uns die Podiumsdiskussion The Brains Trust im Radio anhören und Wincarnis und Ingwerlimonade trinken. Ich dachte, es wäre uns erlaubt , uns der Welt zu entziehen, da wir nun mal den Dreh heraushatten, so, wie der alte Varindra in Ceylon im Jahre 1924. Doch eines Morgens, als uns Cord Speck gebraten und Brot geröstet hatte und wir Brenda Lee lauschten, sagte er: »Hör mal, Martin, wir besuchen heute deine Mutter, und ich glaube, wir müssen dem, was wir vorfinden werden, tapfer ins Auge sehen.«
    »Ist sie im Mountview?« fragte ich.
    »Ja, das ist sie. Aber nicht für lange, nehme ich jedenfalls an.«
    »Nur bis auf weiteres.«
    »Ja. Nur bis auf weiteres. Und das wird nicht lange auf sich warten lassen.«
    Ich dachte an meinen Traum von der Mühle und meinen Kampf. »I’m sorry!« sang Brenda, »so sorry! «
    Es war ein strahlend schöner Augustmorgen in Gresham Tears. Die Feuersteine der gegenüberliegenden Häuser sahen wie poliert aus. Cords Hillman Minx wartete in der Sonne, um uns zum Mountview zu bringen. Mir kam der Gedanke, daß Namen doch oft nicht stimmten: Minx, Biest, für einen kleinen, langsamen Wagen; Mountview, Bergblick, für ein Haus, in dessen Nähe es überhaupt keinen Berg gab. Die Leute schienen ohne groß nachzudenken darüber zu befinden. Miss McRae würde das nicht billigen.
    Ich ging in mein Zimmer, um mich fertigzumachen. Ich stand da und sah auf die Bootsleute und kam zu dem Schluß, daß ich nicht in der Lage war, in ein Zimmer mit lauter Verrückten zu gehen, um dort meine Mutter zu treffen. Ich riß die einer sehr schlechten Zeichnung von Vasco da Gama gegenüberliegende Seite aus meinem Geschichtsbuch und schrieb ihr einen Brief:
    Liebe Mutter,
    ich schreibe diese Zeilen sehr schnell, weil wir in fünf Minuten gehen müssen, um Dich zu besuchen.
    Ich hoffe, daß es Dir schon bessergeht. Ich hoffe, daß alle nett zu Dir sind. Und ich hoffe, daß Du Deine Nähmaschine bei Dir haben kannst.
    Mir geht es gut bei Grandpa Cord. Ich lerne viel über Entdecker, darunter Hakluyt. Er war in Rußland und sagte: »Dort sind die Straßen und Wege nicht wie bei uns mit Steinen gepflastert.« Abends bekomme ich Ingwerlimonade.
    Ich hoffe, daß es Dir bessergeht. Ich wünschte, daß es Dir sofort, in diesem Augenblick, bessergeht, damit Du nicht mehr da bist, wenn wir kommen.
    Alles Liebe von Mary!
    Ich unterschrieb nicht mit Martin. Miss McRae hatte einmal zu mir gesagt: »In meiner Zeit im Leuchtturm habe ich gelernt, daß nicht alle Weisheit von anderen kommt, Mary. Manche kommt von einem selbst, wenn man nur in sich hineinhorcht.« Doch ich trug meine Martinkleidung: mein Trikothemd, meine grauen Shorts und meine frisch geweißten Turnschuhe. Ich stopfte den Brief in die Tasche meiner Shorts, und wir stiegen in den Minx und fuhren los. Wir sangen während der ganzen Fahrt. Wir sangen I’m sorry und Bye-bye love . Wir hatten das Gerücht gehört, daß Brenda Lee ein Kind in meinem Alter oder sogar noch jünger war, glaubten es aber nicht.
    Als wir in die Einfahrt zum Mountview einbogen, sagte Cord: »Merkwürdige Show, Martin, wie?«
    »War das mal ein Wohnhaus?«
    »Ja, allerdings«, antwortete Cord.«Aus der Zeit Jakobs I., 1618. Pfaue auf dem Rasen, kalte Waldschnepfe zum Frühstück und all dieser Unsinn. Wurde im Ersten Weltkrieg ein Krankenhaus. Wird wohl eine Menge Geschrei gewesen sein – die

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