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Die Verwandlung

Die Verwandlung

Titel: Die Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Sampson
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sich meine Haut verzog, als sich meine Knochen bewegten – verformbare, gummiartige Gebilde, die sich dehnten und dehnten, meine Sehnen einer Zerreißprobe unterzogen und meine Muskeln zwangen, straff und hart zu werden. Dasselbe passierte mit meinen Beinen, und ich konnte sehen, wie meine jetzt mit Klauen versehenen Zehen durch Dawns schwarze Schuhe schnitten, während meine Fersen länger wurden und die Absätze mit einem scharfen Geräuschabfielen. Mein Bauch und meine Brust schienen unter meinem Kleid zu wallen, sich zu winden und zu verdrehen. Ich hatte ein stechendes Gefühl, als wäre ich gerade dabei, ein Dutzend Sit-ups zu machen. Das Kleid. So verrückt es auch war, inmitten der Verwandlung in einen verdammten Werwolf an so etwas zu denken, wollte ich Dawns Kleid nicht ruinieren. Also fummelte ich daran herum, zog mir das Kleid über den Kopf und ließ den schimmernden Stoff auf den Boden gleiten. Ich fasste mir an die Brust– sie war flach, hart und muskulös geworden. Mein Bauch verengte sich zu zwei harten Muskelsträngen, die ebenfalls mit Fell überwuchert waren und mich in Schwarz und Grau hüllten. Ich wollte laut aufschreien angesichts dessen, dass hier etwas komplett schieflief, mich auf das Kopfsteinpflaster der schmutzigen Gasse fallen lassen und losweinen, aber das Kommando wurde von etwas Neuem übernommen. Der Teil meines Gehirns, der mir seit Tagen seine seltsamen Bedürfnisse einflüsterte, hielt mich zurück und behauptete sich sowohl gegen die Tagsüber- als auch gegen die Nächtliche Emily. Er war ruhig und konzentriert, zwang mich dazu, mich zu entspannen und die Veränderungen vollenden zu lassen. Am unteren Ende meiner Wirbelsäule zerrte etwas, mein Steißbein schmerzte, und etwas bahnte sich seinen Weg in meine Unterwäsche. Einen Moment lang glaubte ich, ich hätte mir in die Hose gemacht, aber nein– ich wusste, was es war. Ich warf jegliches sittliche Benehmen über Bord, setzte meine Krallen ein und meine Unterwäsche fiel zerfetzt zu Boden. Ein langer Schwanz entrollte sich und klatschte gegen die Rückseite meiner Beine. Schließlich explodierte der Druck in meinem Kopf und mein Schädel wurde zu einem von unbekannter Hand neu zusammengesetzten Puzzle. Unter Ziehen und Zerren wurden mein Mund und meine Nase zu einer Schnauze, meine nun spitzen Ohren in Habachtstellung nach oben auf meinen Kopf verpflanzt und meine Zähne zu scharfen Fängen. Dann war es endlich vorüber. Ich hatte mich verwandelt. Ich war nicht länger Emily Webb, weder die des Tages noch die der Nacht. Ich war die Wölfin. Was immer von meinem normalen Gehirn noch übrig war, setzte gerade etwas aus. Ich war zu fassungslos und panisch angesichts der Tatsache, dass jemand versucht hatte, mich zu töten– und angesichts der Tatsache, dass es wirklich Werwölfe gab. Das instinktgesteuerte Gehirn der Wölfin wollte das Kommando übernehmen, und ich ließ es geschehen. Etwas hing um meinen Hals. Ich berührte es mit meinen Klauen. Megans Autoschlüssel. Ein Teil von mir erkannte, dass ich sie bei mir behalten musste, ebenso wie das verdreckte Kleid zu meinen Füßen. Wenn ich nun in erster Linie auch eine Wölfin war, so war ich immer noch Emily, immer noch ich selbst, mit allen meinen Einzelteilen. Ich schnappte mir das Kleid mit dem Maul und witterte die Nachtluft. Weggeworfene Fischabfälle in dem Container neben mir. Diesel-Abgase von den Straßen. Salzwasser in der Brise, die vom Puget Sound herüberwehte.
    Was ich nicht roch, war der fürchterliche Gestank des Mörders. Ich roch auch nicht den falschen Moschusduft, den er benutzt hatte, um mich aus dem Klub zu locken. Er war weg. Aber für wie lange? Am Himmel über mir schien der sichelförmige Mond, dessen nun grauer Schein mir in den Pupillen brannte. Ich begab mich auf den Weg zurück, auf dem ich hergelaufen war. Aufgrund des Verstands einer Wölfin wusste ich, ohne dass es mir jemand beigebracht hatte, dass es sicherer war, im Schatten zu bleiben. Dieser Mann hatte versucht, mich zu töten. Ich musste mich schützen. Meinen unbekannten Gefährten beschützen. Meinen Gefährten? Der Teil meines Gehirns, in dem Emily noch präsent, wenn auch noch zu überwältigt war, lachte bitterlich. Es ging einzig und allein darum, oder? Dieses Verlangen, Jungs zu riechen, diese aberwitzige Suche nach dem Richtigen. Meine wölfische Seite wollte sich paaren. Egal. Ich hatte etwas zu erledigen. Ich stakste vorwärts. Meine Klauen klapperten gegen den Beton, ich

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