Die Verwandlung
von mir fühlte sich total verlegen, während die andere am liebsten losgelacht hätte, weil die ganze Situation so absolut peinlich war.
» Ähm, aber zuerst etwas anzuziehen. « Er rannte zur Hintertür seines Hauses, verschwand darin und ließ mich auf dem Gras sitzen.
Der Trenchcoat des Mörders lag wie ein schwarzes Bündel im Gras. Der rechte Ärmel war zerfetzt und mit Blut getränkt.
Ich stand auf und ging hinüber. Das nasse Gras zwischen meinen Zehen war matschig. Ich hob den Mantel auf und verzog meine Nase wegen des daraus aufsteigenden Gestanks. Dann durchwühlte ich die Innentaschen. Meine Hand stieß auf etwas Glattes, Kaltes. Ich zog eine lederne Brieftasche heraus und ließ den Mantel zu Boden fallen. In der Brieftasche befand sich herzlich wenig: ein paar Dollarnoten, ein Papierfetzen, auf dem einige Namen notiert waren, die ich nicht kannte. Außerdem befand sich darin ein Arbeitsausweis von demselben agrarbiologischen Unternehmen, das aufgetaucht war, als ich Emily Cooke und Dalton McKinney gegoogelt hatte: BioZenith. » Agrarwirtschaft, hä? « , murmelte ich. Ohne Brille verschwamm der Ausweis vor meinen Augen, also kniff ich sie zusammen und hielt ihn mir direkt vors Gesicht. Auf dem Foto war eine jüngere Ausgabe des toten Mannes zu sehen, weniger blass und mit glatt rasierten Wangen. Unter dem Foto stand der Name » Dr. Gunther Elliot « . Dadurch kam ein weiteres Puzzleteilchen an seinen Platz. Ich wusste zwar, was mit mir geschehen war, doch war mir immer noch nicht klar, wie und warum. Nun war die Verbindung zwischen der anderen Emily, Dalton und dem Mörder offensichtlich: eine Firma, die sich mit Biotechnologie beschäftigte. Ein Ort, an dem, obwohl es eigentlich jenseits des Bereichs des Möglichen war, mithilfe von Biotechnologie… Werwölfe geschaffen werden konnten. Jemand hatte genau das mit uns gemacht. Viele Jemande. Das Warum kannte ich noch nicht, jedoch das Wie. Diese Firma, BioZenith, hatte etwas mit uns angestellt. Wann und zu welchem Zweck, wer weiß? Sie hatten es ja nicht für nötig befunden, uns darüber zu informieren, was mit uns geschehen würde. Sie manipulierten uns, ließen uns frei und schickten einen ihrer Angestellten los, um uns zu töten. Mit zitternden Händen und zusammengebissenen Zähnen blickte ich auf Dr. Elliots Ausweis. Dann stieg sie wieder in mir hoch, die Wut der letzten Nacht. Die Wut, die ich dem Mörder gegenüber empfunden hatte, war mit seinem Tod verschwunden. Doch jetzt wusste ich: Hier ging es um mehr, als ich gedacht hatte. Noch mehr Menschen waren in das verwickelt, was mit uns– mit mir – angestellt worden war– ohne uns überhaupt zu fragen.
» Was ist das? «
Ich schreckte hoch und drehte mich um.
Da stand Spencer in Trainingshosen und einem T-Shirt. Er hielt zwei Gläser Wasser in den Händen. Er schreckte zurück, und das Wasser ergoss sich über seine Hände.
Mir wurde bewusst, wie wütend ich ausgesehen haben musste. Ich atmete aus und zwang mich dazu, etwas milder dreinzuschauen, was mir nicht weiter schwerfiel. Aus irgendeinem Grund nahm Spencers Anwesenheit die Anspannung von mir.
Spencer gab mir eines der beiden Gläser und meinte: » Für deinen Mund. «
Ich nahm einen Schluck Wasser, spülte mir damit den Mund und spuckte aus. Es half ein wenig gegen den Nachgeschmack, aber nicht völlig. Ich sehnte mich nach meiner Zahnpasta, dann fiel mir wieder Spencers Frage ein. » Das ist sein Ausweis « , antwortete ich und hielt ihn hoch. » Er arbeitete für eine Firma namens BioZenith. Bis vor ein paar Tagen hatte ich noch nie etwas darüber gehört, aber zwei Leute mit Nachnamen Cooke und McKinney arbeiteten dort. Ich glaube… ich glaube, sie haben etwas damit zu tun, was wir jetzt sind. «
Spencer nickte und zog seine buschigen Augenbrauen zusammen. » Ja, möglicherweise. Da gibt es definitiv eine Verbindung. «
Ich steckte den Ausweis in die Brieftasche zurück und schob sie wieder in den Mantel. Dabei fragte ich: » Was ist mit dir? Arbeitet irgendeiner deiner Verwandten dort? «
» Nicht, dass ich wüsste. Bei dir? «
Ich schüttelte den Kopf und trat zurück. » Nein. «
» Unheimlich. «
Einen Moment lang standen wir schweigend da, scharrten mit den Füßen und nippten an unserem Wasser. Dabei fiel mir auf, dass der Rollkragenpullover, den ich anhatte, eng anliegender war als irgendetwas, das ich jemals außerhalb meiner eigenen vier Wände zu tragen gewagt hätte, zumindest tagsüber. Ein Teil von mir,
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