Die Verwandlung
Kehle.
Ich weiß nicht, wer von uns beiden es zuerst schaffte. Danach verschwamm alles in einer Blutorgie, die lediglich von den hohen, panischen Schreien des Mörders untermalt wurde. Meine Zähne senkten sich in irgendeinen Teil seines Körpers, und ich schwenkte meinen Kopf von einer Seite zur anderen. Die Schreie des Mannes wurden zu gurgelnden Lauten, bis er schließlich still wurde. Schwer atmend zogen wir uns von dem leblosen Körper des Mannes zurück.
Wo der Hals gewesen war, war nichts weiter als eine klaffende, gezackte Wunde. Unterhalb seines Kopfes sammelte sich Blut und durchweichte sein dunkles T-Shirt.
Wer von uns beiden sich über seinen Hals hergemacht hatte…, der menschliche Teil meines Gehirns wollte es nicht wissen. Die Wut ebbte ab, und das Mädchen in mir war wie betäubt und beschämt über das, was wir getan hatten. Die Wölfin war jetzt zufriedengestellt und gesättigt; ich überließ ihr das Kommando. Ihre Instinkte waren genau das, was mich davon abhalten würde, darüber den Verstand zu verlieren, dass ich gerade dabei geholfen hatte, einen Mann zu töten.
Der andere Werwolf hinkte kläglich wimmernd zum Haus zurück. Er ging teilweise nur auf den Hinterbeinen und setzte lediglich eine seiner Klauenhände auf das Gras, während er sich mit der anderen seinen verwundeten Bauch hielt. Ich beugte mich über ihn. Er schnüffelte an mir und betrachtete mich mit dunklen, sorgenvollen Augen. Ich rieb meinen Hals gegen seinen und klopfte ihm mit meinen Klauen auf den Rücken. Zitternd fiel der andere Wolf auf die Seite und krümmte sich wie ein Embryo zusammen. Ich beugte mich herab, stupste seine Hand weg, schnüffelte an dem aus dem Bauch austretenden Blut. Ich leckte an der Schnittwunde, reinigte sie und linderte seinen Schmerz. Dann spürte ich etwas. Spürte sie. Mein Kopf schoss hoch. Ich reckte mich, um zu dem Mann zurückzublicken, den wir getötet hatten.
Dort schwebten sie still um den Leichnam herum; drei Schatten mit menschlichen Umrissen besahen sich die Überreste des Mörders mit konturlosen, dunklen Gesichtern.
In meiner Brust machte sich panische Angst breit, und ich wimmerte.
Langsam drehten die Schattenmänner ihre Köpfe in unsere Richtung. Sie kamen auf uns zu, wobei sich ihre Beine so bedächtig bewegten, als würden sie durch Melasse stapfen. Als die schattenhaften Figuren näher kamen, bemerkte ich, dass sie keine feste Konsistenz hatten: Durch ihre Oberkörper hindurch konnte ich vage die Bäume erkennen. Mein Körper wurde ganz starr, und die Wölfin überkam das Verlangen wegzulaufen. Doch ich wusste, dass der andere Werwolf nicht mit mir mitkommen könnte, nicht mit dieser Wunde. Deshalb hielt ich den anderen Werwolf trotz des Zitterns meiner pelzigen Glieder schützend fest umklammert und bewegte mich nicht.
Die Phantome blieben stehen und sahen uns mit zur Seite geneigten Köpfen an. Nach einer gefühlten Ewigkeit hoben sie ihre Arme in die Höhe und brachten ihre Hände in schneller Abfolge zusammen. Obwohl sie dabei kein Geräusch von sich gaben, wurde mir klar: Sie applaudierten. Dann waren sie verschwunden. Man hörte weder ein » Peng « noch lösten sie sich langsam auf, wie das bei Computeranimationen oft geschieht. In einem Augenblick waren sie noch da, im nächsten verschwunden.
Ich hatte keine Ahnung, was ich von dem halten sollte, was ich gerade gesehen hatte, und ich war so schrecklich erschöpft. Ich wollte keine Angst mehr haben und gab dem einen guten Gefühl nach, das ich empfand: der unglaublichen Erleichterung, die mich überkam, nachdem ich endlich den Wolf– den Jungen– gefunden hatte, den ich so viele Nächte lang verfolgt hatte. Ich rollte mich hinter dem anderen Werwolf zusammen und fasste mit einem meiner langen Arme über seinen Rücken, um seine fellbedeckte Brust zu streicheln. Er wimmerte und ich hielt ihn fest umklammert und streichelte ihn. So schliefen wir beide im Gras ein, unter den Sternen und dem Silbermond, während lediglich ein paar Schritte entfernt die Leiche des Mannes lag, der losgezogen war, um uns zu töten. Ausdruckslos starrten seine Augen in Richtung des Nachthimmels, den er nicht länger sehen konnte.
The Vesper Company
»Der hellste Stern, der uns alle leitet.«
– Internes Dokument, Nicht für den Umlauf gedacht–
Auszug aus dem Vernehmungsprotokoll von Person A / Abteilung B
Sitzung Teil 5 – aufgenommen am 31 .Oktober 2010
F . Savage ( FS ) : Oh. Nun ja.
Person A ( PA ) : Sie sehen aus, als
Weitere Kostenlose Bücher