Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
Grenzen ›nur‹ zu verdeutlichen.
Fehlende Grenzverdeutlichungen von Eltern schaffen häufig recht klare Umfeld-Probleme. Entweder leiden andere unter kreischenden Kindern im Restaurant bzw. gezielten Stör-Attacken oder sie geraten ins Schussfeld eines elterlichen Abwehrfeuers, wenn sie sich regulierend an die Kinder wenden: ›Da haben sie mir nicht reinzureden!‹ ›Diese Einmischung ist eine Anmaßung.‹ ›Für die Erziehung sind wir zuständig.‹ Eine gelassene und ziel-führende Reaktion fällt da meist nicht so leicht. Aber der Hinweis ›Wenn Sie Ihrer Erziehungsverantwortung angemessener nachkommen würden, bräuchte ich nicht selbst aktiv zu werden‹, würde die Situation auf den Punkt bringen und könnte eine Klärung einleiten. Falls Ihr Gegenüber stattdessen wie eine Rakete hochgeht, dann sind Sie an symbiotisch mit dem Nachwuchs verbundene Eltern geraten, welche Ihre Kritik am eigenen Kind als persönlichen Angriff sehen.
Übrigens ist ein solches Reagieren durch unfreiwillig Betroffene eigentlich kein ›Mit-Erziehungs-Versuch‹, sondern ein normaler ›Sozialisations-Vorgang‹. Denn immer, wenn Menschen mit ihrem Verhalten andere stören, hat das Umfeld nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht, konkrete verhaltensrelevante Rückmeldungen nach dem Muster ›So nicht‹ zu geben, weil sonst Chaos und Willkür Tor und Tür geöffnet würden.
Zur Klarstellung: Weder Begrenzungen um der Grenzen willen noch ein Befolgen aus bloßem Gehorsam führen weiter. Nur die Erfahrung, sich im Schutz der eigenen Grenzen – bei gleichzeitiger Akzeptanz der Grenzen anderer – gut entwickeln zu können, lässt innere Akzeptanz wachsen, wirkt sich fördernd auf das weitere Leben aus. Daher erfordert der Umgang mit Grenzen Behutsamkeit und Nachvollziehbarkeit. Nur so kann die Einsicht heranreifen, dass ich selbst und andere Menschen gleichermaßen Nutznießer solcher Markierungen sind. Denn wenn Freiheit heißt, dass ich machen kann, was ich will, dann muss ich mir auch gefallen lassen, dass andere mit mir machen, was sie wollen. Eine Regel könnte lauten: So viel Freiraum wie möglich, so viel Grenzen wie nötig!
Es oder Ich?
»Ich will doch nur dein Bestes!« So der Titel einer Hallo, Ü-Wagen -Sendung des WDR aus Mönchengladbach. Der Anstoß dazu kam aus einem Seminar der dortigen Fachhochschule für Sozialwesen zum Thema »Elternsprüche«. In der Sendung gab es reichlich Gelegenheit, weitere Beispiele solcher an Kinder gerichtete Steuerungsmaßregeln kennenzulernen. Die Palette reichte von »Was sollen nur die Nachbarn sagen« über den Standardspruch elterlicher Gewalt »Solange du deine Füße unter meinen Tisch stellst …« bis hin zu »Du bringst mich noch ins Grab!«. Neben einer großen Untauglichkeit als Lebens-Wegweiser oder einer De-Eskalation von Konfliktsituationen offenbaren die aufgeführten Sprüche, dass es ausschließlich um das Wollen oder Wohlbefinden von Eltern und nicht um die Sorgen oder Interessen von Töchtern oder Söhnen geht.
»Ich will, dass …«, »Solange du deine Füße …«, »Du bringst mich …« – wer solche Kost als Kind oft serviert bekommt, dem drängt sich der Unwert des eigenen Ich deutlich ins Bewusstsein. Sicher haben Erziehungsverantwortliche das Recht, ihre Vorstellungen oder Sorgen zu nennen. Aber genauso selbstverständlich sollte es sein, dass auch gegenteilige Auffassungen angemessenen Äußerungsraum finden. Überzeugungsarbeit für die jeweiligen Standpunkte ist dann gefragt, keinesfalls ›Ich-will-Disputationen‹. Wird aufgrund von Macht entschieden, fällt die Begründung wichtiger Aspekte und möglicher Entscheidungskriterien in der Regel über Bord. Aber es gibt bessere Konfliktlösungsmöglichkeiten.
Ist es wirklich sinnvoll oder notwendig, ein Verhalten zu ändern, müssten die konkreten Auswirkungen des momentanen Tuns oder Nicht-Tuns für den Handelnden im Zentrum stehen. Dazu ist kausales und nicht autoritäres Denken einzubringen. Nicht, ob ich als Vater, Mutter oder Erziehungsverantwortlicher etwas will, sondern dass es notwendig ist, diesen Schritt zu gehen, um jenes Ziel zu erreichen, ist dann Maßstab. In diesen Begründungszusammenhang können dann auch alle – oft so hochgelobten – Lebenserfahrungen einfließen. Gibt es trotzdem Einschätzungsdifferenzen, prallt nicht das unterschiedliche Wollen von zwei Menschen aufeinander. Stattdessen befinden sich die beidseitig eingebrachten Argumente angesichts des zur Lösung
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