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Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Titel: Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel-Verlag <München>
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gesucht.
    In Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche ist es hilfreich, den Blick in vergangene Epochen zu werfen. Im Emil verdeutlicht Rousseau zur hier aufgeworfenen Fragestellung kurz und knapp: »Ich habe schon oft gesagt, dass das Kind nichts bekommen darf, weil es danach verlangt, sondern weil es dessen bedarf.« 16 Dass dies kein Gegensatz sein muss, ist nachvollziehbar. Aber es wird auch offenkundig, dass nicht jedes geäußerte Bedürfnis einen über die Situation hinausweisenden Wert haben muss, ob dies das Verlangen nach Süßigkeiten oder das Habenwollen eines Fernsehers im Kinderzimmer ist. Oft ist das Gegenteil der Fall. Das Statement des Jugendforschers Prof. Klaus Hurrelmann ist auf diesem Hintergrund Situationsanalyse und Appell zugleich:
    »Kinder bekommen zu wenig von dem, was sie brauchen, wenn sie zu viel von dem bekommen, was sie wollen!«
    Dem verantwortungsbewussten Erzieher kommt somit die Aufgabe zu, zwischen diesen und jenen Bedürfnissen unterscheiden zu lernen, um dann solche aufzugreifen, welche das Kind oder den Jugendlichen möglichst optimal für das weitere Leben fördern. Um die Sinnfrage in den Blick nehmen zu können, ist dazu häufig der begrenzende Rahmen des Zweckhaften zu überwinden.
    Strafen oder wegsehen?
    »Wer seinen Sohn nicht züchtigt, liebt ihn nicht«, sagt ein arabisches Sprichwort. Schnell setzen Assoziationen von Rohrstock oder Lederriemen ein. Dies darf nicht sein, wird jeder empfinden, der sich für einen gewaltfreien Umgang mit Kindern einsetzt. Aber was heißt ›züchtigen‹ in diesem Kulturkreis? Kann es mit Strafen gleichgesetzt werden? Was ist überhaupt eine Strafe und was soll sie bewirken? Die Frage von Strafen oder Nicht-Strafen bzw. die Suche nach anderen angemessenen Reaktionen ruft nach Antwort.
    Das Ankündigen oder Umsetzen von Strafen ist häufig eine Reaktion aus dem Bauch heraus. Weil Mutter oder Vater äußerst ärgerlich bzw. richtig wütend ist, soll eine drakonische Maßnahme dem Ganzen ein jähes Ende setzen. Häufig aber werden Drohungen ausgesprochen und nicht gehalten. Auch wenn es von der Sache her manchmal sinnvoll sein kann, sollten z. B. mehrwöchige TV-Verbote oder radikale ›Ausgangs-Sperren‹ besser nicht umgesetzt werden. Die bloße Ankündigung einer Strafe schafft anstelle einer Verbesserung jedoch nur Verwirrung. Also gilt, trotz aller Erregtheit: ›Sage nur das, was auch in angemessener Weise umzusetzen ist!‹
    Eine Strafe ist nie die kausale Folge eines störenden oder schädigenden Verhaltens. Sie ist das Resultat einer Übereinkunft zwischen Menschen oder ergibt sich als Sanktion durch Personen oder Gruppierungen. Insoweit ist zwischen bekannten oder anerkannten und in einer Situation angesetzten Strafen zu unterscheiden. Ob eine Strafe zur erwünschten Veränderung führt, hängt eng damit zusammen, ob sie vom Grundsatz akzeptiert wird. In der Erziehungspraxis führen Strafen – wie in der Gesellschaft auch – eher selten zur einsichtigen Verbesserung eines Handelns. Sie haben aber trotzdem eine wichtige Bedeutung als Korrektiv.
    Auch wenn hier Strafen als sehr begrenzt sinnvolles und kaum wirksames Erziehungsmittel betrachtet werden: Wegsehen kann auf keinen Fall als Alternative herhalten. Denn jedes Ignorieren von störenden oder schädigenden Verhaltensweisen bzw. das Unterlassen von wichtiger Reaktion vermittelt den Handelnden die Information, dass Ungutes oder gar Falsches doch möglich ist und anscheinend toleriert wird.
    Wer wegsieht, reagiert auch. Die stille Botschaft lautet: ›Mir ist es egal!‹ Kinder oder Jugendliche spüren die ihnen entgegengebrachte Gleichgültigkeit. Der Sache bzw. dem Vorgang wird Bedeutungslosigkeit beigemessen. Damit wird deutlich gewordenes Fehlverhalten ignoriert und in der Folge potenziert. Beim Betroffenen bildet sich folgende Einschätzung: ›Wenn diese Bezugsperson sich nicht äußert, wird dies bei anderen Menschen sicher auch so sein.‹ Es bleibt offen, ob das eigene Verhalten nun positiv, negativ oder dazwischen liegend zu beurteilen wäre. Wenn auf unterschiedlichste Verhaltensweisen Reaktionen ausbleiben, müssen sie alle gleich bewertbar sein. Sobald dieses gleich-gültige Umgangssystem verlassen wird, sind Konfrontationen vorprogrammiert. So gefällt es dem Nachbarn gar nicht, dass Philipp fast regelmäßig mit dem Dreirad heftig gegen sein Garagentor fährt, und Beatrix, die Thomas in einen Fischteich stoßen will, wundert sich über seine wütende Abwehr. Fehlende

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