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Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Titel: Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel-Verlag <München>
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lässt, die allgegenwärtige Überzuckerung in Speisen und Getränken der Gesundheit substanziell schadet, mangelnde Bewegung Muskeln und Knochenbau ruiniert, ein behutsamer Umgang mit der um uns existierenden Welt überlebensnotwendig ist, die Arbeit in unserer Gesellschaft zur Umverteilung und Neubewertung ansteht, Drogen kaputt machen und jedes soziale Gebilde nur durch selbstverantwortliches Handeln lebensfähig ist. Aber die wenigsten Menschen handeln entsprechend. Trotzdem prasseln immer neue Ergüsse entsprechender Hinweise, Warnungen oder Veränderungsforderungen per Sprache auf uns ein.
    Wieso kommt es zu einem solchen Phänomen? Einerseits orientieren sich viele Menschen an der Maxime ›Ich glaube nur, was ich sehe!‹, ob im Bereich der Politik, im alltäglichen Miteinander und erst recht innerhalb von Verlautbarungen der großen Kirchen. Andererseits klammern wir uns im Zusammenhang lebenswichtiger Lernvorgänge auf irreale Weise an eine Methode, deren Fragwürdigkeit und Unbrauchbarkeit täglich offenkundig wird. Oder stehen nur unsere Bildungsexperten in diesem falschen Glauben und haben das Lernverständnis der amerikanischen Filmgestalt ›Nummer 5‹ auf Deutschland übertragen? Nein, die deutsche Bildungstradition hat es nicht nötig, auf einen solchen USA-Import angewiesen zu sein. Schließlich haben wir ja schon einiges aus eigener Kraft geschaffen: Es lebe das Lern- und Bildungsverständnis des ›Nürnberger Trichters‹!
    Auch wenn manche Zeitgenossen immer noch danach zu forschen scheinen, an welcher Stelle des menschlichen Körpers am ehesten der Einfüllstutzen für den ›Wissenstrichter‹ platziert werden könnte, um dann im Schnellverfahren die wichtigsten Daten ablassen zu können, weisen selbst Computerspezialisten darauf hin, dass eine noch so optimal geordnete und umfangreich bestückte Festplatte keine Gewähr für einen reibungslosen und situationsbezogenen Einsatz bietet, wenn beim Anwender der notwendige Überblick oder die Bereitschaft zum Handeln fehlt. Darüber hinaus ist eine solche Lernstoffvermittlung nach dem Prinzip ›Der Abspeichervorgang kann beginnen!‹ nicht nur eine ineffektive, sondern auch gefährliche Methode der Vorbereitung auf kommende Aufgaben.
    Es ergibt sich ein dreifaches Risiko: Erstens hinterlässt sie bei der vermittelnden Instanz – ob Eltern, Lehrer oder betriebliche Ausbildung – die Illusion, das Wichtigste im Hinblick auf die Problemsituation X oder das Vorhaben Y getan zu haben, frei nach der Devise ›Ich habe es ja gesagt oder als Text rübergebracht – also ist es angekommen!‹. Zweitens ist mit der Weitergabe von Fakten häufig verbunden, dass nur Teile verstanden und/oder akzeptiert werden, was zu kuriosen oder bedrohlichen Situationen führen kann, je nach Mix der verschiedenen Fragmente. Drittens impliziert das Überlassen von Informationen auch die Möglichkeit, das Gegenteil zu tun, orientiert an dem Grundsatz ›Wenn schon eine solch deutliche Warnung zum Ausdruck gebracht wird, muss es ja besonders reizvoll sein!‹ 19 In allen Fällen fehlen Anhaltspunkte, was angekommen ist und zu welchen Folgerungen dies führt. Aber alle Vorgehensweisen lassen in der Regel beim Info-Akteur das gute Gefühl entstehen, etwas Wesentliches vollbracht zu haben. Und genau dies behindert die Wachsamkeit, die – je nach Bereich und Alter unterschiedlich – kritischen Bereiche im Blick zu halten, um entsprechend stützend oder relativierend zu intervenieren.
    Schon Johann Heinrich Pestalozzi warnte 1809 davor, »von der Kraft leerer Worte alles zu erwarten«, und Otto Willmann stellte 1917 deutlich die Wirkung eines »Verbalismus« als Erziehungsmittel infrage. Paul Zulehner brachte 1998 die allgegenwärtige Buchstabengläubigkeit in seinem Plädoyer »Wider den Wort-Durchfall« recht drastisch auf den Punkt – auch wenn er sich dabei ›nur‹ auf Ansprachen in Gottesdiensten bezog. Daher kann bei ausbleibendem Erfolg auch eine Erhöhung der bisherigen Dosis nicht weiterführend sein. Es ist höchste Zeit, anstelle einer ›Konzentration auf das Wort‹ wieder mehr wirksame Mittel beim Erziehen einzusetzen.
    Verantwortungsbewusste und engagierte Menschen, die bereit sind, ihren Teil zum Gelingen des Zusammenlebens in Beruf, Familie und Freizeit einzubringen, die fähig sind, Handlungsansätze zur Vermeidung bzw. Überwindung von Problemen in den unterschiedlichsten Situationen entwickeln zu können, benötigen eine am Leben orientierte Erziehung,

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