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Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Titel: Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel-Verlag <München>
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Suchttherapeuten, bei seelischen Deformationen helfen Psychotherapeuten und in ganz ausweglosen Fällen übernehmen die Kirchen einen letzten Trost. Für die verteerte Lunge und zersetzte Leber werden Entzugskuren bereitgestellt. Infarktgeschädigte gehen für Wochen in noble Rehakliniken. Fitnessstudios bieten in der Freizeit die Bewegung an, die während der Arbeit dank aller technischen Errungenschaften verhindert wurde. Gegen die aus fehlender Herausforderung resultierende Schwermut stehen reichlich Antidepressiva zur Verfügung. Geld rollt per Onlinebanking zu den Zapfstellen des Konsum-Molochs. Bei ruinösen Finanzproblemen werden Schuldnerberatungen aktiv. Der abhandengekommene Verstand wird per Gedächtnistraining zu retten gesucht und Vitaminpillen sollen gegen Konzentrationsmangel helfen. Bildtelefone verdecken manch körperliche Fülle, reduzieren erheblich den Kraftaufwand zu sozialen Kontakten und erleichtern Neurotikern den Umgang mit den Artgenossen. Das Internet kann selbst der eingeschlafenen Potenz durch spezielle Pillen zu einem Hoch ›für gewisse Stunden‹ verhelfen, online zu bestellen, lieferbar frei Haus. – Die Strategie ist offenkundig: Bis zur Abhängigkeit verwöhnen und dann kräftig abzocken.
    Es wird einige Leserinnen und Leser geben, welche diese Schilderung für übertrieben halten. Aber die Zukunft hat schon begonnen. Würde z. B. ein skeptischer Mensch glauben, dass sich Autofahrer so auf ihr bordeigenes Navigationsgerät verlassen, dass sie den optisch und akustisch kredenzten Fahrhinweisen quasi blind folgen? Nein, werden die meisten sagen: »Solch einem Dummenteil werde ich mich nie ausliefern«, so eine engagierte Spontanreaktion. Wir brauchen nicht weiter zu spekulieren, regelmäßig belegen Zeitungsnotizen das kaum Vorstellbare: Weil sich ein PKW-Fahrer in Berlin restlos auf seinen elektronischen ›Pfadfinder‹ verließ – wofür hat man schließlich ein via Satellit geleitetes Fahrzeug –, plumpste er samt Nobelkarosse in die Spree. Der Grund für den unfreiwilligen Wasserkontakt lag darin, dass die Koordinaten des Navigators an der betreffenden Stelle eine Brücke gespeichert hatten. Real handelte es sich aber um eine Autofähre, die sich gerade auf Überfahrt befand. Der Fahrer hatte übrigens Glück im Pech, da er samt Luxusschlitten gerettet werden konnte.
    Als Fazit ergibt sich für alle Verwöhn-Variationen: Kaufen und Konsumieren ist Ausdruck der tiefen Sehnsucht der Menschen nach Anerkennung und Glück. Wenn ich schon so wenig Beachtung und Zuwendung erfahre, will ich mir wenigstens ›selbst was Gutes tun‹. Aber, falls überhaupt: Die Wirkung hält nur Sekunden an. Daher konzentriert sich alles auf die nächste Gelegenheit. Irgendwann muss doch diese Hoffnung erfüllt werden. Der Alltag verdeutlicht jedoch ungeschminkt: Konsumannehmlichkeiten fördern die Trägheit, lassen Kontrollinstanzen verkümmern und behindern den Willen zu sinnvollen oder notwendigen Änderungen.
    Der Sozialstaat wird asozial und verwöhnt seine Bürger
    Während eines Hochschulseminars zur Frage »Was ist sozial?« äußerte sich ein Student: »Wenn ich z. B. einem total Hungrigen gegenüberstehe, gebe ich ihm als Erstes das, was ihm fehlt: etwas zu essen. Das wird doch wohl für jeden Menschen selbstverständlich sein!« Daraufhin ein anderer Student: »Wenn das für dich so selbstverständlich ist, das Fehlende zu geben, gibst du denn auch einem total kaputten Junkie als Erstes Heroin?« Die Frage, was denn in den Beispie len überhaupt das Fehlende sei, was sozial ist, gärte weiter.
    Nicht-Gefordertsein macht träge, minimiert Leistungsbereitschaft, führt zum Verlust sozialer Anerkennung, macht Menschen letztlich kaputt. »Manchmal genügen einige Monate«, merkte der Mitarbeiter eines Arbeitsamtes an, »dass Menschen so aus der Bahn geraten, dass sie fast nicht mehr vermittelbar sind.« Aber mittlerweile scheinen sich die entsprechenden Dienststellen verstärkend in dieses System einzureihen, indem mögliche Chancen zu einer Stellenvermittlung schon im Voraus vereitelt werden. So erhielt ein Arbeitsplatzanbieter von einem Stellenvermittler den Hinweis: »Wenn ich Ihnen jemanden schicke und er die Stelle nicht nimmt, gibt es in der Regel für vier Wochen eine Sperre der Unterstützung. Besser ist, Sie schreiben die Stelle offiziell aus, damit es keinen Ärger für die Bewerber gibt.« Auch in Sozialhilfe-Einrichtungen herrscht häufig eine gewisse Zaghaftigkeit, wenn

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