Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
verändert oder mit mehr Konsequenz umgesetzt werden, um so die verwöhnenden Strukturen abzuschaffen. Nach den Buchstaben des Sozialhilfegesetzes könnte die Praxis anders aussehen, denn im Sozialgesetzbuch (SGB) 1, § 9, steht: »Wer nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder in besonderen Lebenslagen sich selbst zu helfen und auch von anderer Seite keine ausreichende Hilfe erhält, hat ein Recht auf persönliche und wirtschaftliche Hilfe, die seinem besonderen Bedarf entspricht und ihn zur Selbsthilfe befähigt, die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht und die Führung eines menschenwürdigen Lebens sichert.« Erst wenn diese Kriterien eine konsequentere Berücksichtigung in den Einzelfallentscheidungen finden, werden Sozial-, Jugend-, Arbeitsämter und ähnliche Einrichtungen von Wohlfahrtsverbänden oder Kirchen in die Lage versetzt, wirksame ›Hilfe zur Selbsthilfe‹ zu leisten.
Oft sind auch Wahlgeschenke bzw. von Parteien betriebene Wohltaten für bestimmte Bevölkerungsgruppen eine ganz besondere Variante eines verwöhnenden Staates. Ein besonders eklatantes Bespiel ist die weitgehend finanziell abgesicherte Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Babys und Kleinstkinder. Hier gibt die öffentliche Hand pro Kind und Monat durchschnittlich 1 200 Euro aus. Das Ganze wird dann als ›Bildungs-Offensive für die Kleinsten‹ bzw. als ›Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie‹ verkauft. Sicher ist es die Aufgabe eines modernen Staates, die infrastrukturellen Voraussetzungen für ein gutes Zusammenleben zu schaffen, egal, ob es dabei um ausreichende Parkhäuser in Ballungszentren, die Energieversorgung, gut erreichbare Lebensmittelmärkte oder außerhäusige Betreuungsangebote geht. Kein verantwortlich handelnder Politiker käme jedoch auf die Idee, erst recht nicht bei einer riesigen Staatsverschuldung, Parken, Strom oder Einkaufsartikel zu 80 Prozent zu subventionieren, wie dies im Betreuungsgesetz geregelt ist. Aber von sich modern gebenden Verwöhn-Volksvertretern wird eine Krippenpolitik betrieben, als wenn es um Deich-Aufstockungs-Maßnahmen gegen den durch Klimawandel bedingten Anstieg der Weltmeere zur Abwehr eines Untergangs des Abendlandes ginge. So wird nicht nur den Bedürftigen, sondern auch den Nicht-Bedürftigen oder Super-Reichen kräftig aus dem Füllhorn ›auf Pump‹ kredenzt. Ans Haben-Wollen gewöhnte Zeitgenossen finden das klasse. Sie brauchen nur zu sagen: ›Hätte auch gerne einen Betreuungsplatz‹, und schon wird das Ganze als Bedarfsermittlung – mit Rechtsanspruch – eingestuft. Würde der Staat sich nur für die Infrastruktur in der U-3-Betreuung zuständig sehen und gleichzeitig Familien finanziell besser fördern, würden auch Polemisierungen mit Kampfbegriffen wie ›Herd-Prämie‹ oder ›Verdummungs-Anreiz‹ gegen das Betreuungsgeld entfallen. Denn politisch verantwortlich Handelnde verteilen keine Wohltaten aus leeren Taschen an eine spezielle Bevölkerungsgruppe, sondern schaffen eine gute Infrastruktur. Die Kosten für die U-3-Betreuung sind dann von jenen zu zahlen, welche davon profitieren: die jeweiligen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. 32
Weshalb machen bei so vielen Nachteilen fast alle kräftig mit? Die Tragik liegt darin, dass die Einsicht viel stärker vorhanden ist als die persönliche und politische Kraft zum tatsächlichen Kurswechsel. Wiedergewählt werden wollende Parteien, unkontrollierbar gewordene Konsummogule und ihre Verwöhnung nicht aufgeben wollende Nutznießer gehen eine Symbiose mit dem Ziel ein, alles beim Alten zu belassen. Aber wie sagte unlängst ein Kampfmittelräum-Spezialist im Angesicht einer Zeitbombe: »Bis zu einem gewissen Punkt lässt sich so ein Ding entschärfen, danach können alle nur noch schnell in Deckung gehen.«
Ein Plädoyer für mehr Selbstverantwortungswachstum
Umfangreich und ernüchternd ist die Bilanz zur Verwöhnung unter den verschiedensten Vorzeichen. Menschen, welche sich nicht von ihrer rosaroten Brille trennen wollen, werden diese Vorgänge mit ihren ökonomischen, sozialen, biologischen oder psychischen Folgen sicher nicht wahrnehmen. Aber mit Ignoranz wird keinesfalls eine Änderung eingeleitet. Verwöhnung richtet sich immer gegen die Leistungsfähigkeit und Tragkraft einer Gesellschaft. Je mehr Menschen ohne einen eigenen Beitrag bloße Nutznießer sein wollen, desto gefährdeter ist eine Gemeinschaft. Damit werden auch die grundlegenden
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