Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
Medien leben von der Vereinnahmung, vordergründig der von Geld, letztlich der von Menschen. Je subtiler die Klaviatur der Verwöhnung gespielt wird, desto umfangreicher werden Sie in ihren Bann geraten. Hier wird Abhängigkeit auf offener Bühne provoziert, ›Dealer und Fixer‹ brauchen das Rampenlicht nicht zu scheuen.
Industrie, Handel, Banken und Dienstleister verwöhnen ihre Konsumenten
›Jetzt kaufen, später zahlen‹, so wird der potenzielle Konsument veranlasst, nicht vorhandenes Geld auszugeben. Für wirkliche Notsituationen ist dies ja eine akzeptable Möglichkeit. Aber auf Kredit in Urlaub fahren, aufschiebbare Anschaffungen realisieren, Konsumgüter auf Pump erstehen? Die durch vielfältige Werbeträger ins Land posaunten Losungen, was Mann und Frau, Kind und Kegel so alles zu haben haben, um wirklich glücklich und zufrieden leben zu können, wollen über die Verwöhnung Abhängigkeiten schaffen. ›Tu dir was Gutes, gönn dir was‹, heißt die offizielle Botschaft. Real betrachtet lautet sie: ›Tu mir Konsumindustrie was Gutes und gib mir dein Geld, am besten schon zu einer Zeit, wo es dir noch gar nicht gehört. Dann ist es mir auch zukünftig sicher.‹ Verwöhnung heißt hier: Bequemlichkeit, Lustgewinn, Statussteigerung.
Aber nicht nur schillernde Produkte, häufig finanziert durch großzügig eingeräumte Kredite, bringen Menschen in missliche Situationen. Auch die mit vorhandenem Geld geschaffenen Annehmlichkeiten des Alltags setzen uns gehörig zu. Vieles fällt im Vollzug gar nicht mehr auf, so sehr haben wir uns an sie gewöhnt. Klimaanlagen und Zentralheizungen schaffen angenehme Wohnbedingungen zum Preis eines sprunghaften Anstieges an Erkältungskrankheiten. Mikrowellengeräte verringern die Erwärmungszeiten für Speisen und torpedieren eine gemeinsame Esskultur. Ein Nachtlicht nimmt dem Kleinkind zwar manche Angst, macht gleichzeitig aber auch kurzsichtig. 29
Gläschenkost für kleine Kinder ist zwar schnell hergerichtet, gleichzeitig werden Geschmacksbildung verhindert, Kauverhalten verzögert und Essverhalten nachhaltig gestört. Nikotin und Alkohol können wohldosiert ein Genussmittel sein, führen aber allzu viele in die Abhängigkeit. Erdbeeren im Januar sind ein Farbtupfer im tristen Winter und reduzieren die Freude auf die ersten Früchte im Frühjahr. Eine Welt des ›Nichts-ist-unmöglich‹ bietet viele Chancen, zerstört aber auch das Leben in Ehe und Familie. Reichliches Essen schmeckt auch bei fehlender körperlicher Anstrengung, erhöhte Cholesterinwerte und sich ständig vermehrende Fettzellen sind die Kehrseite. Computersysteme vereinfachen Rechenvorgänge und lassen gleichzeitig das Denken verkümmern. Aufzüge erleichtern den Warentransport und lassen die Beinmuskulatur verkümmern. Eine warme Dusche im Winter ist sehr wohltuend, auf ihren Dauereinsatz folgt aber fehlende Abhärtung. Mit der Erfindung des Automobils wurde zwar die Fortbewegung über weite Distanzen ermöglicht, sein Einsatz für Kurzstrecken ramponiert aber kräftig unseren Bewegungsapparat. Obwohl wir Bewegung und Anstrengung unbedingt brauchen, der menschliche Knochen- und Muskelaufbau ist konstitutionell für ca. 60 bis 80 Kilometer Fußmarsch pro Tag angelegt, entscheiden sich viele heute für ein Verharren in der Erstarrung.
Aufgeschwemmt, blass und übersät mit Krankheitszeichen lechzen sie nach der nächsten Annehmlichkeit. Alle Hoffnung setzen diese ›Konsumritter von der traurigen Gestalt‹ darauf, bald noch mehr Kraft einsparen zu können. Anforderungen werden als Kriegserklärung erlebt, aber die Trägheit verhindert sogar einen Zurückweisungsversuch. Diesem Sumpf aus Lethargie und Apathie kann kaum aus eigener Kraft entronnen werden. Jede neue Verwöhnung zieht weiter nach unten. Wann übernimmt endlich ein Gerät meine Atemfunktion, damit ich von dieser elenden Mühe befreit werde?
Nachdem sich Industrie, Handel, Banken und Dienstleister reichlich Mühe gemacht haben, all diese Lebensverhinderer an Mann und Frau zu bringen, verdienen sie nun nicht schlecht an den deutlich werdenden Folgen. Hier werden unterforderte bzw. verspannte Muskeln massiert, dort wird die einzig wirklich mühelos wirkende Diät angeboten. Als Ersatz für ›Face-to-face-Kontakte‹ im Bereich Liebe und Partnerschaft gibt es einen ausufernden Markt an elektronisch ermöglichten Erotikdiensten. Haltungsschäden sind eine Aufgabe für Bewegungstherapeuten, für die verschiedensten Abhängigkeiten gibt es
Weitere Kostenlose Bücher