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Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Titel: Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel-Verlag <München>
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unmissverständlich Eigenverantwortung zu fordern wäre. So kann immer wieder festgestellt werden, wie sich Hartz-IV-Empfänger erfolgreich gegen Programme zur Wiedereingliederung in das Erwerbsleben oder Initiativen wie ›Arbeit statt Sozialhilfe‹ verweigern können. Manche Familien leben schon seit zwei oder drei Generationen vom warmen Geldsegen der Allgemeinheit und haben sich – aufgestockt durch ein paar inoffizielle Einkünfte – mit diesem Status arrangiert.
    Um nicht vorschnell falsche Schlussfolgerungen zu ziehen: Hier geht es nicht um das Anprangern von Sozialhilfebetrug oder Missbrauch des Arbeitslosengeldes. Es geht um ein Aufzeigen, welche Strukturen eines Sozialhilfesystems die Eigenverantwortlichkeit fördern oder verhindern.
    Spätestens seit dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Hartz-IV-Gesetz und den nachfolgenden Reformen hat ein starkes Umdenken eingesetzt. Aber immer noch ist zu fordern, dass die »gesetzlichen Möglichkeiten zur Kürzung sozialer Leistungen stärker genutzt werden müssen, wenn vertretbare Ausbildungs- oder Arbeitsangebote ausgeschlagen werden« 30 . Das soziale Netz hat nicht die Funktion, Menschen zur Hängepartie zu animieren.
    Dies wird der späteste Zeitpunkt sein, wo Sozialromantiker die Abwehrkeule herauszuholen versucht sein könnten: Grundsätze dieser Art wurden immer schon als probates Mittel zur Eliminierung sozial schwacher Menschen propagiert. Wer solche Gedanken lanciert, betreibt puren Sozialdarwinismus, dessen Überlebensmaxime lautet: »Wem die Kraft zur Durchsetzung fehlt, der muss halt krepieren.« Harter Tobak, wenn solche Vorwürfe in den Raum gestellt werden. Meine Analyse der Zusammenhänge führt in deutlicher Abgrenzung von solch möglichen Angriffen zu folgender These: Geldzuwendungen sind auf Dauer kein Mittel zur Überwindung von Notsituationen! Auf diese Weise werden Kräfte zur Veränderung gelähmt, entsteht Abhängigkeit, wird Menschenwürde torpediert, Verelendung provoziert. Stattdessen steht an, in Not geratene Menschen wieder zur eigenständigen Lebensführung zu befähigen. Als ›Erste-Hilfe-Maßnahme‹ können dies auch Finanzmittel sein, so wie ein Arzt bei einem eitrigen Backenzahn gegen die akuten Qualen auch als Erstes per Spritze eine Notlinderung erreichen will. Aber nur Dilettanten würden bei einer Schmerzbehandlung stehen bleiben; Mediziner werden die Ursachen erforschen. Ist die Diagnose klar, wird die Therapie geplant: Wann kann begonnen werden, welcher Weg ist der erfolgreichste, was ist speziell hier zu berücksichtigen, wie kann dauerhaft geholfen werden?
    Und genau so wäre auch bei Hartz-IV-Empfängern vorzugehen. Für den Crash-Moment eine materielle Spritze, anschließend werden konkrete Veränderungsschritte geplant: Welche Defizite sind aufzuarbeiten, was ist unter dem Gesichtspunkt des Erfolgs zu beachten, wie kann dauerhaft geholfen, wann kann mit der Wiedereingliederung begonnen werden? Das wäre wirksame und zukunftsorientierte Sozialhilfe und würde sowohl für die eingangs zitierten Fälle des ›Hungrigen‹ bzw. ›Drogenabhängigen‹ als auch für einen soeben vom Arbeitgeber Gekündigten gelten. Denn beim Hungrigen ist nicht Hunger das Problem, sondern Hunger ist Folge von etwas noch zu Klärendem, genauso wie Arbeitslosigkeit oder Drogenkonsum nur etwas noch zu Eruierendes widerspiegelt. Wer aber Symptome zu kurieren sucht, sollte dies nicht Sozialhilfe nennen.
    Es geht, wie so oft betont, um die Hilfe für sozial Schwache. Aber weshalb werden diese Schwachen nicht durch eine Stärkung der Eigenverantwortlichkeit ermutigt, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen? Stefan Baron, ehemaliger Chefredakteur der Wirtschaftswoche , bringt es auf den Punkt: »Soziale Gerechtigkeit ist nicht Gleichheit am Ziel, sondern am Start.« 31 Dazu ist auch Geld erforderlich, aber nicht, um es direkt in die Hand des Hilfsbedürftigen zu geben. Stark machen ist hier gefordert, eine Marktwertanalyse für die Chancen im Berufsleben wäre zu erstellen, um so dezidiert soziale und fachliche Qualifizierungsmaßnahmen einzuleiten. Werden diese Aufgaben nicht angepackt, wird weiterhin durch Verunselbstständigung das Gegenteil von sozialer Hilfe erreicht. Aber Menschen asozial zu machen, ist nicht Auftrag der Sozialhilfe.
    Will das soziale Auffangnetz wirklich nicht müde, schwache und aus der Bahn geratene Menschen zur Hängepartie animieren, müssen die rechtlichen und personellen Rahmenbedingungen entweder

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