Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
Werte der christlichen Soziallehre, wie Solidarität, Subsidiarität und Personalität, zerstört. Keine Gemeinschaft ist lebensfähig, wenn nicht alle ihren Teil zum Gelingen beitragen. Selbst wenn viele Menschen zum Ausdruck bringen, den komfortablen Versorgungsstaat zu wollen, dürfen und können die politisch Verantwortlichen einem solchen nach Verwöhnung lechzenden Verlangen nicht nachgeben. Der Preis ist zu hoch! Stattdessen sind die Bürger aus ihrer Bevormundung zu befreien, um selbst wieder das Risiko für die Gestaltung des eigenen Lebens in die Hand zu nehmen. Nur so kann das schlummernde Potenzial an Wissen, Kreativität und Engagement neu geweckt werden. Dann werden die Menschen wieder Leistungsbereitschaft zeigen, freudig an die Arbeit herangehen und mit Mut den Erfolg anstreben.
Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist schon in Gefahr, weil die Leistungsfähigkeit anderer Staaten größer ist. Trotzdem geben passionierte Schmarotzer ihr Verhalten nicht auf. Aber all die hier aufgeführten Beispiele verdeutlichen auch, dass sich viele Institutionen bzw. Kräfte unserer Gesellschaft bereitwillig als ›Wirte für solche Parasiten‹ zur Verfügung stellen.
Bevor in den nächsten Kapiteln verdeutlicht wird, weshalb Verwöhnung eingesetzt wird und welche vielfältigen negativen Folgen damit verbunden sind, können Sie jetzt noch einmal einen Blick auf die zu Beginn vorgenommenen Aufzeichnungen zum eigenen Verständnis von Verwöhnung werfen. Falls Sie kein ›Übermensch‹ sein sollten, werden Sie sich auch mehr oder weniger häufig ertappt gefühlt haben. Wenn Sie dabei wütend auf die Aussagen des Buches reagierten, sollten Sie aus ›therapeutischen Gründen‹ unbedingt weiterlesen. War dies nicht der Fall und ist Ihre Fähigkeit zur Selbstkritik noch in einem gesunden Maße vorhanden, werden Sie von sich aus motiviert und interessiert weiterlesen. In jedem Falle werden wertvolle Hinweise zum eigenen Selbst und daraus ableitbare Veränderungschancen gegeben. Dazu hat der Volksmund einen guten Spruch parat: »Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Besserung.«
Zur Pathologie der Verwöhnung
Zu viel wollen oder zu wenig wollen macht ohnmächtig und krank.
Ruth Cohn im Dezember 1994 in Köln
Mit dem Roman Oblomow hat der Schriftsteller Iwan Alexandrowitsch Gontscharow nicht nur das dekadente zaristische Russland des 19. Jahrhunderts trefflich karikiert, sondern auch die Entstehung und Wirkung von Verwöhnung differenziert charakterisiert. Dieses zum Bestseller gewordene Werk der russischen Erzählkunst ist gleichermaßen als Schmunzellektüre oder Sachbuch lesbar. Die Lebensbeschreibung des Antihelden Oblomow hat so viel Widerhall in der russischen Volksseele gefunden, dass er als Synonym für Verwöhnung sogar Eingang in russische Wörterbücher fand: »›Oblomowerei‹, das ist die russische Schlaffheit, Faulheit, Trägheit und Gleichgültigkeit; das ist die Gewohnheit, alles von anderen und nichts von sich zu erwarten, gemäß dem russischen Sprichwort: ›Auf die anderen vertraue wie auf Gott, auf dich selbst wie auf den Teufel‹.« 33
Die literarische Figur des untätigen, gutmütigen und trägen Oblomow war dem in Zürich tätigen Psychologen Josef Rattner Anlass genug, innerhalb eines Forschungsaufenthaltes an der Freien Universität Berlin der Frage nachzugehen, unter welch erzieherischen Bedingungen ein solchermaßen verwöhnter Mensch heranwächst. Die Ergebnisse seiner Untersuchung wurden in Verbindung mit der Psychologischen Lehr- und Beratungsstelle Zürich unter dem Titel Verwöhnung und Neurose. Seelisches Kranksein als Erziehungsfolge im Jahre 1968 veröffentlicht. Dieses Buch bringt Licht in das Dunkel von verwöhnenden Verhaltensmustern, indem die Kindheit gezielt nach begünstigenden Faktoren für eine spätere Ausbildung von Neurosen durchleuchtet wird. So wird deutlich, welche Fehlentwicklungen des Trieblebens oder welche unverarbeiteten seelischen Konflikte mit der Umwelt zu einem krankhaften Zustand ohne organische Ursachen führen.
Anschaulich wird dem Leser vor Augen geführt, wie ein verweichlichter Mensch heranwächst: »Oblomow war das einzige Kind eines reichen Gutsbesitzers. Er wurde von seiner Mutter über alle Maßen verwöhnt. Kein Hauch der harten und bösen Welt durfte an den Knaben herankommen. Er wuchs in einem Glashaus auf, in der tropischen Temperatur einer Verhätschelung, in die sich immer die Angst einmengte, es könne ihm etwas passieren. Durch das
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