Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
Rückmeldungen wiederum beschleunigt den Prozess der Entmutigung. Irgendwann geht dann das bei der Geburt quasi als Start-Ration mitgegebene Urvertrauen in sich und andere zur Neige. Dem Kindesalter entwachsen vegetieren diese Zeitgenossen entweder als menschliche Ruinen in Beruf und Partnerschaft dahin oder wollen dreist Vorteile zum Nulltarif erheischen. Jeglicher Aufforderung zum Einbringen eines vertretbaren Maßes an eigenverantwortlichem Handeln gegenüber werden sich solche Menschen resistent zeigen. Verwöhnung ist somit der sicherste Weg zu Unglück, Misserfolg und Frustration. Diese wiederum äußern sich in den Extrempositionen als
❯ nicht mehr wollen, als Entmutigung bzw. Unterwerfung – als Depression
❯ gewaltsam alles haben wollen, als Herrschsucht – als Aggression
Als Despoten oder ramponierte Gestalten lechzen sie nach Zuwendung, wo Hinwendung und Aufgabenbewältigung anstehen. Die so entstehende Leere und Langeweile werden häufig durch Risiko und andere besondere Reizsituationen zu vertreiben gesucht. Dazu bieten moderne Wohlstandsgesellschaften reichlich Gelegenheit. Alles soll möglich sein, es geht um die Verwirklichung des eigenen Glücks. »Der Kölner Werbeexperte Willi Schalk formulierte bei einem Vortrag über Konsumtrends der Zukunft: ›Nimm deine eigenen Bedürfnisse wichtiger als alles andere und erfülle deine Wünsche konsequent, egal, wer darunter zu leiden hat, Hauptsache, du entbehrst nichts.‹« 70 Dabei neigen Depressive zu Alkohol, Tabletten, Dauerkrankheiten oder Fresssucht, während Aggressive häufig – verstärkt durch Alkohol – offensiv ihre Forderungen an die Mitmenschen richten. So äußert sich ein Streben nach Beachtung und Zuwendung beim Verwöhnten einerseits eher leise und andererseits laut-störend, beide Male aber in fehlgeleiteter Kompensation.
Die Jagd nach Neuem findet nach Gerhard Schulze in der Erlebnisgesellschaft ihre Entsprechung. Höher, schneller, weiter, spektakulärer, gefährlicher muss es sein, hektisch wird das nächste Ereignis anvisiert. Die vermeintliche Sinnsuche wird zur Sucht. Diesen Trend griff DER SPIEGEL einmal mit der Überschrift »Der Tanz ums goldene Selbst« auf; Lust auf Kosten anderer. Der Verwöhnte konzentriert sein Leben immer intensiver auf den Genuss, für das Schaffen der Voraussetzungen sind andere zuständig. Schließlich hat das in der Kindheit ja auch immer geklappt. Die Forderung muss nur deutlich genug geäußert werden. Dann wird auch wieder irgendeine Glücks-Pipeline angezapft werden können.
Aber im realen Leben können selbst gut funktionierende Zapfstellen nur dann weiterhelfen, wenn auch für den nötigen Kraftstoffvorrat gesorgt wurde. Verwöhnte Menschen haben aber nur tanken gelernt. Um den Nachschub machen sie sich keine Gedanken. Das Ganze funktioniert nach dem Prinzip ›Schröpfen aus Töpfen, die andere gefüllt haben‹. Ein solch asoziales Verhalten reduziert den Wert eines Menschen kräftig. Denn ein anerkannter Platz innerhalb einer Gesellschaft ist das Ergebnis eines förderlichen Beitrags für das Zusammenleben. In Abgrenzung zu Vogelschwärmen, Wolfsrudeln oder Affenhorden, bei denen diese Überlebensregel genauso existiert, hat der Mensch jedoch noch die Möglichkeit, seine geistigen Energien zu aktivieren, um auch durch diese Fähigkeit Anerkennung in Familie, Freundeskreis oder Beruf zu erlangen. Bei verwöhnten Menschen fehlen jedoch
❯ Ich-Stärke (der Ausdruck von zufriedenstellendem Selbstvertrauen, realistischem Selbstbild und Selbstwert, welche auf positiven Rückmeldungen auf eigene Beiträge durch andere basieren),
❯ soziale Kompetenz (sie wird durch Toleranz, Rücksicht, Verantwortungsbewusstsein, Mitwirkung, Umsicht und die Fähigkeit, mit Problemen und Konflikten umgehen zu können, deutlich),
❯ Kreativität (diese wird durch Interesse und Neugier begründet und äußert sich als Flexibilität, Einfallsreichtum und Fantasie bei anstehenden Lösungsvorhaben) sowie
❯ Leistungsbereitschaft und -fähigkeit (als in Vollzug gebrachte Kraft, Ausdauer, Denk- und Planungsaktivität, Zielstrebigkeit und Anwendungsfertigkeit)
weitestgehend. Das ist der Preis einer kontinuierlichen Verwöhnung für die direkt und indirekt Betroffenen.
Wie aus dieser Auflistung ersichtlich, ist eine Auswirkung von Verwöhnung ein unrealistisches Selbstbild, häufig verbunden mit einem unangemessenen Auftreten. Greifen beispielsweise Jugendliche auf Stellensuche das Angebot auf, die Gründe
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